«Er hat dieses Riesentalent»

Es gibt wenige Dirigenten, die einen so kometenhaften Aufstieg hatten wie der Schweizer Philippe Jordan. Sein grösster Motivator war immer er selbst. Doch darin unterstützt hat ihn die ganze Familie, wie seine Schwester Pascale erzählt.

Artikel teilen
Fotos: Jean-Francois Le­clercq – Opéra national de Paris; zvg

Philippe und ich sind in einer echten Künstlerfamilie gross geworden. ­Unsere Mutter war Opernhaustänzerin, unser Vater Dirigent. Das hört sich toll an, aber für Kinder ist das nicht immer einfach. Man möchte ja sein wie die anderen und dazugehören. Doch wir waren anders. Unsere Mutter war Tänzerin, sie kleidete sich ganz anders als die Mütter der anderen Kinder. Und unser Vater war selten daheim. An Silvester sassen wir in einer Operette, anstatt eine Party zu feiern. Da ist mir manchmal schon aufgefallen, dass wir anders waren als andere Familien.

Doch im Grossen und Ganzen war das Elternhaus für Philippe und mich ein grosses Glück, denn die beiden haben uns immer unterstützt. Wir wurden darin bestärkt, das zu machen, was uns glücklich macht, man hat uns nie zu etwas gezwungen. Die einzige Erwartung an uns war, dass wir die Matur machen. Philippe begann mit sechs Jahren, Klavier zu spielen, und war dann auch bei den Sängerknaben. Wir waren beide am Gymnasium Rämibühl. Philippe war ein sehr guter Schüler. Doch noch vor der Matur musste er sich zwischen einer Musikerkarriere und dem Abschluss entscheiden, denn neben dem Lernen wäre ihm einfach nicht genug Zeit zum Üben ge­blieben. Unsere Eltern sprachen dann mit dem Direktorium und dort war man sehr verständnisvoll. Philippe durfte in den Fächern, die ihn interessierten, hospitieren und hat in diesen dann abgeschlossen. In der übrigen Zeit durfte er im Gymnasium Klavier üben. Das war zwar keine richtige Matur, doch auch die hätte er locker geschafft. Unsere Eltern liessen ihm diese Freiheit, er durfte alles auf eine Karte setzen. Klar, es gab keine Garantie. Aber die Musik war eben immer Philippes Welt, etwas anderes konnte er sich gar nicht vorstellen.

Philippe und ich sind in einer echten Künstlerfamilie gross geworden. ­Unsere Mutter war Opernhaustänzerin, unser Vater Dirigent. Das hört sich toll an, aber für Kinder ist das nicht immer einfach. Man möchte ja sein wie die anderen und dazugehören. Doch wir waren anders. Unsere Mutter war Tänzerin, sie kleidete sich ganz anders als die Mütter der anderen Kinder. Und unser Vater war selten daheim. An Silvester sassen wir in einer Operette, anstatt eine Party zu feiern. Da ist mir manchmal schon aufgefallen, dass wir anders waren als andere Familien.

Doch im Grossen und Ganzen war das Elternhaus für Philippe und mich ein grosses Glück, denn die beiden haben uns immer unterstützt. Wir wurden darin bestärkt, das zu machen, was uns glücklich macht, man hat uns nie zu etwas gezwungen. Die einzige Erwartung an uns war, dass wir die Matur machen. Philippe begann mit sechs Jahren, Klavier zu spielen, und war dann auch bei den Sängerknaben. Wir waren beide am Gymnasium Rämibühl. Philippe war ein sehr guter Schüler. Doch noch vor der Matur musste er sich zwischen einer Musikerkarriere und dem Abschluss entscheiden, denn neben dem Lernen wäre ihm einfach nicht genug Zeit zum Üben ge­blieben. Unsere Eltern sprachen dann mit dem Direktorium und dort war man sehr verständnisvoll. Philippe durfte in den Fächern, die ihn interessierten, hospitieren und hat in diesen dann abgeschlossen. In der übrigen Zeit durfte er im Gymnasium Klavier üben. Das war zwar keine richtige Matur, doch auch die hätte er locker geschafft. Unsere Eltern liessen ihm diese Freiheit, er durfte alles auf eine Karte setzen. Klar, es gab keine Garantie. Aber die Musik war eben immer Philippes Welt, etwas anderes konnte er sich gar nicht vorstellen.

Zwei, die schon ihr ganzes Leben zusammenhalten: Philippe Jordan (links) und seine kleine Schwester Pascale.

Mein Bruder verbrachte schon als Bub viele Stunden allein in seinem Zimmer und hörte Musik. Und so, wie andere Jugendliche eine Band gründen, wollte er mit zwölf Jahren eben ein Orchester gründen. Bei den Zürcher Sängerknaben hat er die «Zauberflöte» gesungen im Opernhaus. Ich habe zwar auch Geige gespielt, aber innerhalb eines halben Jahres hat er mich da überholt. Er war schnell beim dritten Band, während ich noch beim ersten war! Er hat eben dieses Riesen­talent, das war ganz früh klar. Egal, was er gespielt hat, ob Lego oder Playmobil, es hatte immer mit Musik zu tun. Er hat dann eben ein Opernhaus gebaut. Bei allem, was er tat, spürte man seinen grossen Ehrgeiz. Er wusste immer, was er will, da ist er wie unsere Mutter. Die beiden sind sich von der Persönlichkeit her sehr ähnlich, diszipliniert, zielstrebig. Sein Talent hat Philippe aber vom Vater geerbt. Dieser probierte in seinem Leben vieles aus, er war Journalist, studierte zeitweise Medizin und Psychologie und er hatte ein Hobbyorchester. Seinen Weg suchte er lange. Doch dann traf er zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtigen Leute und schlug die Dirigentenlaufbahn ein. Unser Vater wirkte wie ein Magnet auf die Menschen, er war sehr offen und vielseitig interessiert.

Für meinen Vater wäre ein Leben ohne Dirigieren nicht denkbar gewesen. Sein Tod 2006 kam sehr un­erwartet, er wurde mitten aus dem Leben gerissen. Das war für die ganze Familie ein schwerer Schlag. Phi­lippe war da zufällig in der Schweiz, und so war wenigstens die Familie zusammen. Doch da ich meinem Vater immer schon sehr nahe war, ist damals eine Welt für mich zusammengebrochen, zumal ich zu der Zeit gerade hochschwanger war. Philippe war eher ein Mamakind. Doch er hat es als Kind schon auch als schwierig empfunden, dass unser Vater so selten da war. Unsere Mutter hatte es nicht einfach mit uns, weil unser Vater ja wenig daheim war und sie meistens Vater und Mutter sein musste. Philippe ist sich dessen heute wohl sehr bewusst, dass das nicht so familienkompatibel ist. Er pendelt ja zwischen mehreren Orten hin und her, aber überall, wo er regelmässig ist, hat er einen stabilen Freundeskreis. Sein Privatleben hält er aber konsequent privat. Denn er musste sich früh durchkämpfen und oft auch mit harter Kritik umgehen können. Damit schützt er sich.

Philippe ist ein sehr grosszügiger Mensch. Wir haben eine tiefe Verbindung, obwohl wir uns selten hören oder sehen. Aber ich weiss, dass er immer für mich da ist, denn Familie ist ihm sehr wichtig. Ich habe in Philippe einen grossen Bruder, wie man ihn sich vorstellt. Er hat seine kleine Schwester immer in Schutz genommen, egal, was passiert war. Und damals wie heute ist er sehr interessiert an dem, was ich tue. Wenn es darauf ankommt, halten wir zusammen.

Mein Bruder verbrachte schon als Bub viele Stunden allein in seinem Zimmer und hörte Musik. Und so, wie andere Jugendliche eine Band gründen, wollte er mit zwölf Jahren eben ein Orchester gründen. Bei den Zürcher Sängerknaben hat er die «Zauberflöte» gesungen im Opernhaus. Ich habe zwar auch Geige gespielt, aber innerhalb eines halben Jahres hat er mich da überholt. Er war schnell beim dritten Band, während ich noch beim ersten war! Er hat eben dieses Riesen­talent, das war ganz früh klar. Egal, was er gespielt hat, ob Lego oder Playmobil, es hatte immer mit Musik zu tun. Er hat dann eben ein Opernhaus gebaut. Bei allem, was er tat, spürte man seinen grossen Ehrgeiz. Er wusste immer, was er will, da ist er wie unsere Mutter. Die beiden sind sich von der Persönlichkeit her sehr ähnlich, diszipliniert, zielstrebig. Sein Talent hat Philippe aber vom Vater geerbt. Dieser probierte in seinem Leben vieles aus, er war Journalist, studierte zeitweise Medizin und Psychologie und er hatte ein Hobbyorchester. Seinen Weg suchte er lange. Doch dann traf er zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtigen Leute und schlug die Dirigentenlaufbahn ein. Unser Vater wirkte wie ein Magnet auf die Menschen, er war sehr offen und vielseitig interessiert.

Für meinen Vater wäre ein Leben ohne Dirigieren nicht denkbar gewesen. Sein Tod 2006 kam sehr un­erwartet, er wurde mitten aus dem Leben gerissen. Das war für die ganze Familie ein schwerer Schlag. Phi­lippe war da zufällig in der Schweiz, und so war wenigstens die Familie zusammen. Doch da ich meinem Vater immer schon sehr nahe war, ist damals eine Welt für mich zusammengebrochen, zumal ich zu der Zeit gerade hochschwanger war. Philippe war eher ein Mamakind. Doch er hat es als Kind schon auch als schwierig empfunden, dass unser Vater so selten da war. Unsere Mutter hatte es nicht einfach mit uns, weil unser Vater ja wenig daheim war und sie meistens Vater und Mutter sein musste. Philippe ist sich dessen heute wohl sehr bewusst, dass das nicht so familienkompatibel ist. Er pendelt ja zwischen mehreren Orten hin und her, aber überall, wo er regelmässig ist, hat er einen stabilen Freundeskreis. Sein Privatleben hält er aber konsequent privat. Denn er musste sich früh durchkämpfen und oft auch mit harter Kritik umgehen können. Damit schützt er sich.

Philippe ist ein sehr grosszügiger Mensch. Wir haben eine tiefe Verbindung, obwohl wir uns selten hören oder sehen. Aber ich weiss, dass er immer für mich da ist, denn Familie ist ihm sehr wichtig. Ich habe in Philippe einen grossen Bruder, wie man ihn sich vorstellt. Er hat seine kleine Schwester immer in Schutz genommen, egal, was passiert war. Und damals wie heute ist er sehr interessiert an dem, was ich tue. Wenn es darauf ankommt, halten wir zusammen.

Zu den beiden Personen

Philippe Jordan

Philippe Jordan, 46, begann seine Kar­riere bereits im Alter von 20 Jahren am Stadttheater Ulm. Vier Jahre später ging er nach Berlin, wo er von 1998 bis 2001 Assistent und Kapellmeister bei Daniel Barenboim an der Staatsoper Unter den Linden war. Es folgten Stationen an berühmten Konzerthäusern in aller Welt, aktuell ist er Direktor der Pariser Oper. Im September 2020 wird Philippe Jordan Musikdirektor der Wiener Staatsoper.

 

Philippe Jordan, 46, begann seine Kar­riere bereits im Alter von 20 Jahren am Stadttheater Ulm. Vier Jahre später ging er nach Berlin, wo er von 1998 bis 2001 Assistent und Kapellmeister bei Daniel Barenboim an der Staatsoper Unter den Linden war. Es folgten Stationen an berühmten Konzerthäusern in aller Welt, aktuell ist er Direktor der Pariser Oper. Im September 2020 wird Philippe Jordan Musikdirektor der Wiener Staatsoper.

 

Pascale Jordan

Pascale Jordan, 43, absolvierte bereits in früher Jugend eine Tanzausbildung. Nach der Matur ging sie nach New York an eine Schauspielschule. Wieder zurück in Europa hatte sie Engagements an Theatern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Nach der Geburt ihres Sohnes wurde sie mit ihrem Mann sesshaft und begann, an einer Tanzschule zu unterrichten. Seit zwei Jahren ist ­Pascale Jordan selbständig und unterrichtet Tanztheater.

Pascale Jordan, 43, absolvierte bereits in früher Jugend eine Tanzausbildung. Nach der Matur ging sie nach New York an eine Schauspielschule. Wieder zurück in Europa hatte sie Engagements an Theatern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Nach der Geburt ihres Sohnes wurde sie mit ihrem Mann sesshaft und begann, an einer Tanzschule zu unterrichten. Seit zwei Jahren ist ­Pascale Jordan selbständig und unterrichtet Tanztheater.