Herr Resch, das Ziel der Energiestrategie ist eine klimaneutrale Schweiz bis zum Jahr 2050. Können wir die Ziele bis 2050 erreichen?
Im Moment gibt es sehr viele Gesetzesanpassungen, die die Umsetzung der Energiestrategie auf die Schiene bringen sollen. Aus unserer Perspektive als Netzbetreiber besteht eine grosse Herausforderung im Paradigmenwechsel weg von den grossen zentralen Erzeugungseinheiten hin zu kleinen dezentralen Produzenten. Das bedingt einen Umbau der Netzinfrastruktur und eine Anpassung im Netzbetrieb. Stromerzeugung mit Sonne und Wind ist nicht so gut planbar. Das Hauptaugenmerk liegt hier auf einer optimierten Abstimmung von Verbrauch und Produktion und im Ausbau zum Smart Grid.
Wir stehen noch am Anfang des Umbaus des Energiesystems
Wir stehen noch am Anfang des Umbaus des Energiesystems. Zum Beispiel produzieren die Kernkraftwerke in der Schweiz jährlich rund 24 Terawattstunden Strom, dieser muss ersetzt werden. Der Anteil der Stromproduktion mit erneuerbaren Energien ausser Wasserkraft soll von derzeit rund 4 Terawattstunden bis 2035 auf 11,4 Terawattstunden ausgebaut werden. Hinzu kommt die notwendige Dekarbonisierung des Wärme- und Mobilitätsmarkts. Dies führt im Stromnetz zum Beispiel durch die damit verbundene Zunahme von Wärmepumpen und Elektroautos zu zusätzlichem Leistungs- und Energiebedarf.
Wie wichtig sind Auslandsengagements von Schweizer Unternehmen (z.B. Windparks im europäischen Ausland), um die Ziele der Energiestrategie 2050 zu erreichen?
Der dort produzierte Strom ist Teil der europäischen Stromerzeugung. Auch diese soll 2050 klimaneutral sein. Das Schweizer Stromnetz ist mit dem europäischen untrennbar verbunden. Mit unserem ausländischen Engagement unterstützen wir den Ausbau der erneuerbaren Energie und leisten einen Beitrag zur Erhöhung der Versorgungssicherheit. Mit den Investitionen soll darüber hinaus selbstverständlich eine angemessene Rendite erzielt werden. Hinzu kommt, dass in Spanien und Portugal sehr grosse PV-Freiflächenanlagen möglich sind, was zu tiefen Produktionskosten führt.
Ziel der derzeit laufenden Revision des Stromversorgungsgesetzes ist die vollständige Öffnung des Strommarktes. Im gleichen Zug soll auch das Energiegesetz angepasst werden. Wie bereiten Sie sich bei EKZ darauf vor?
Grundsätzlich steht EKZ einer vollständigen Strommarktöffnung positiv gegenüber. Der vorliegende Gesetzesentwurf sieht eine Marktöffnung frühestens 2024/25 vor. . Diesbezüglich gab es aber schon oft Verzögerungen. Das Ziel von EKZ bleibt nach wie vor unverändert. Unsere Aufgabe ist es, die hohe Versorgungssicherheit zu gewährleisten bei möglichst tiefen Kosten. Dazu möchten wir unsere Kunden mit modernen, innovativen Energielösungen darin unterstützen, die Ziele der Energiestrategie bestmöglich umzusetzen. Wir befinden uns da aber natürlich auch in einem Spannungsfeld zwischen Grundversorgung und freiem Markt. Im Moment gibt es viele neue Gesetze. Die Investitionsanreize in die einheimischen erneuerbaren Energien, die zur Stärkung der Versorgungssicherheit beitragen sollen, sehen wir jedoch noch nicht wirklich. Der Ausbau der erneuerbaren Energie erfolgt derzeit immer noch hauptsächlich aufgrund von Fördermassnahmen bzw. im Privatbreich auch idealistisch. Wenn der Markt es also nicht hergibt, in neue Technologien zu investieren, wird man in den Markt eingreifen müssen.
Wie werden sich die aktuelle Corona-Krise und der damit verbundene Konjunkturabschwung auf die weitere Entwicklung auswirken?
Wegen der Corona-Krise sind der Strombedarf in Europa und als Folge davon der Strompreis am Grosshandelsmarkt eingebrochen. Dies verschlechtert aktuell die Rentabilität von Kraftwerken. Wenn die Konjunktur wieder anspringt und die Strompreise dadurch wieder steigen, wird das die Wirtschaftlichkeit der Kraftwerke wieder verbessern und Investitionen werden rentabler.
Doch langfristig wird es wohl keine grossen Verzögerungen bei der Umsetzung der Energiestrategie 2050 geben, denn die grossen Themen wie Klimawandel oder CO2-Ausstoss sind nicht von der Bildfläche verschwunden. Sie sind nur im Moment nicht so im Fokus. Generell ist das Ziel aber nach wie vor ehrgeizig, eine Prognose abzugeben ist schwer.