Können Sie das etwas ausführen?
Während eines Lebensjahrs nimmt ein Mensch in der Schweiz circa 5 Millisievert* an natürlicher Strahlung auf. Nun dürften wir mit dem Tiefenlager, gemäss Vorgabe des Bundes, diese Dosis um maximal 0.1 Millisievert erhöhen – für jemanden, der direkt über dem Lager lebt. Mit dem Tiefenlager erhöhen wir die zulässige Dosis nach 10'000 Jahren jedoch im ungünstigsten Fall um lediglich 0.0001 Millisievert – also tausendmal weniger, als der Grenzwert maximal zulässt. Stellen wir uns einen fünf Meter hohen Sprungturm vor. Diesen Turm dürfen wir nun maximal um die Grösse einer Cola-Dose erhöhen. Was wir aber im schlechtesten Fall tun: Wir erhöhen den Turm um die Dicke eines Blatt Papiers. Ist ein Tiefenlager zu 100 Prozent sicher oder dicht? Nein. Aber wir kommen dem sehr nahe. Wer in 10'000 Jahren direkt über dem Tiefenlager wohnt, nimmt in einem Jahr wegen dem Lager die gleiche Dosis auf, wie während einer zweistündigen Wanderung in den Alpen. Absolut sichere Lösungen im Umgang mit Atommüll existieren nicht – auch nicht im Falle der Transmutation.
*Masseinheit zur Messung der Auswirkung radioaktiver Strahlung auf die Gesundheit.
Die Theorie der Transmutation ist bereits seit Jahrzehnten bekannt
Sie sprechen es an: immer öfter hört man von der Transmutation. Einer Technologie, die mittels moderner Reaktoren den Atommüll abbauen könnte. Was halten Sie von solchen Alternativen?
Wir beobachten diese Entwicklungen genau. Die theoretische Möglichkeit der Transmutation ist uns seit Jahrzehnten bekannt. Das Tiefenlagerkonzept wurde im Wissen geschrieben, dass es diese Möglichkeit gibt. Bisher blieb sie jedoch theoretisch. Mit der Schweizer Firma Transmutex, die diese Technologie zur Marktreife führen will, haben wir unlängst Daten ausgetauscht und
halten deren Berechnungen für plausibel. Eine Reduktion des Volumens und der Langlebigkeit des hochradioaktiven Abfalls wäre wohl theoretisch möglich.
Allerdings fiele dann mehr schwach- und mittelradioaktiver Abfall an. Zudem müssten mehrere Transmutationsreaktoren und eine Wiederaufbereitungsanlage gebaut werden. Das ist in der Schweiz aktuell verboten. Unser Fazit: Ein Tiefenlager braucht es in jedem Fall.
Es gibt keinen Grund, jetzt Däumchen zu drehen
Ein Vorwurf an die Nagra ist der, dass beim Bau des Tiefenlagers unnötig aufs Gas gedrückt wird, weil sie die Verantwortung für die Abfälle an den Bund abtreten können, sobald diese eingelagert sind.
Das ist so nicht richtig. Die Verantwortung geht zwar dereinst auf den Bund über, aber erst nach einer Testphase, über deren Länge der Bundesrat selbst entscheidet. Wir rechnen damit, dass das etwa in hundert Jahren so weit sein dürfte. Das sind die Zeiträume, in denen wir planen. Andere Stimmen werfen uns vor, zu trödeln. Schliesslich arbeiten wir bereits seit 53 Jahren an der
Lösung. Für uns gibt es jetzt keinen Grund, Däumchen zu drehen. Aber der Vorwurf, unnötig Tempo zu machen, ist unbegründet. Bis wir definitiv einlagern werden, dauert es noch rund dreissig Jahre. Sollte die Transmutation bis zu diesem Zeitpunkt Industrie- und Marktreife erlangen, ist das wunderbar. Dann haben wir weniger hochradioaktiven Abfall, den wir einlagern müssen.