«Wir müssen mehr Akzeptanz schaffen»

Windkraft ist komplementär zur Solarenergie und ergänzend zur Wasserkraft essenziell für die Stromversorgung im Winter. Doch es gibt viele Herausforderungen zu bewältigen.

Irene M. Wrabel
28. Oktober 2025
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Fotos: Sophie Stieger - Alfredo Scherngell, Leiter Wind- und Wasserkraft Schweiz bei EKZ, und Viviane Ammann, Kommunikationsverantwortliche Zürich Wind, engagieren sich zusammen für den Ausbau der Windenergie im Kanton Zürich.

Für EKZ leitete er 2019 den Umbau des Wasserkraftwerks Dietikon. Heute setzt sich Alfredo Scherngell zusammen mit Viviane Ammann für den Ausbau jener Technologie ein, die die Wasserkraft im Winter optimal ergänzen kann: die Windenergie.

Warum spielt Windenergie eine so zentrale Rolle in unserer zukünftigen Stromversorgung?

Alfredo Scherngell: Windkraft ist ein sehr wichtiger Baustein für eine sichere Versorgung mit erneuerbaren Energien, vor allem im Winterhalbjahr. Dann nämlich erzeugen Windenergieanlagen mehr als zwei Drittel ihrer jährlichen Stromproduktion. Und somit genau dann, wenn die Tage kürzer werden, der Stromverbrauch markant zunimmt und gleichzeitig weniger Solarstrom produziert wird.

Viviane Ammann: Windenergie ist eine ideale Ergänzung zu Solar- und Wasserkraft und ein wertvoller Baustein im Energiemix. Für eine regionale und klimafreundliche Stromversorgung wird sie zukünftig ein unverzichtbares Element sein.

Über Zürich Wind

Zürich Wind ist eine Kooperation von EKZ, ewz und Stadtwerk Winterthur zur Nutzung der Windenergie im Kanton Zürich. Die drei Partner wollen die regionale Nutzung von Windenergie zur Stärkung der Versorgungssicherheit und lokalen Wertschöpfung fördern. Die Projekte werden nur mit Partizipation der lokalen Bevölkerung entwickelt.
zuerichwind.ch

Wie lange dauert es, bis eine solche Windenergieanlage in Betrieb genommen werden kann?

Alfredo Scherngell: Es ist ein langwieriger Prozess, vor allem bei uns in der Schweiz. Schon die ersten Messungen, ob genug Wind da ist, dauern mindestens ein Jahr. Dazu kommen Umweltverträglichkeitsprüfungen und mehrstufige Planungsverfahren mit vielen Möglichkeiten für verzögernde Beschwerden. In der Schweiz sind Projektlaufzeiten von über zehn Jahren somit leider keine Seltenheit. Der Blick ins Ausland zeigt, dass es auch deutlich schneller geht. So dauert es beispielsweise in Deutschland im Schnitt gerade mal zwei bis drei Jahre bis zur Bewilligung.

Engagiert für die Windenergie im Kanton Zürich
Viviane Ammann, Kommunikationsverantwortliche Zürich Wind
Viviane Ammann, Kommunikationsverantwortliche bei Zürich Wind, setzt sich zusammen mit...
Alfredo Scherngell, Leiter Wind- und Wasserkraft bei EKZ
...Alfredo Scherngell für den Ausbau der Windenergie im Kanton Zürich ein.

In der Bevölkerung scheinen die Vorbehalte gross zu sein. Wieso ist das so?

Viviane Ammann: Studien belegen, dass die Akzeptanz eigentlich hoch ist. Windenergieanlagen werden im Strommix der Zukunft von 60 Prozent der Befragten befürwortet. Aber wird es dann wirklich konkret, gibt es auf lokaler Ebene oft Widerstand. Einer der Hauptgründe für die Ablehnung ist die Sichtbarkeit der Windräder. Rational betrachtet spricht aber kaum etwas dagegen – im Gegenteil, die Vorteile überwiegen deutlich. Die Energieproduktion erfolgt nachhaltig und erneuerbar, es werden in den Projekten Einnahmen für die Bevölkerung generiert und auch das lokale Gewerbe profitiert während Bau und Betrieb der Anlagen. Eingriffe in die Natur werden so weit wie möglich minimiert oder kompensiert. Kommt hinzu, dass Windräder natürlich auch rückgebaut werden können.

Windprojekte können in der Schweiz schnell scheitern

Alfredo Scherngell: Unsere direkte Demokratie in der Schweiz ist eine Stärke, aber sie bedeutet auch: Projekte können aufgrund von Beschwerden, Partikularinteressen oder fehlender Akzeptanz schnell scheitern. Im Fall von Windenergieprojekten mag das kurzfristig für die meisten Menschen keine spürbaren Konsequenzen haben – der Strom kommt ja weiterhin aus der Steckdose. Aber mittelfristig wird diese Haltung Auswirkungen haben.

Viviane Ammann und Alfredo Scherngell vor dem EKZ-Wasserkraftwerk in Dietikon
Mehr erneuerbare Energie im Winter: Viviane Ammann und Alfredo Scherngell sind von der Windenergie als optimale Ergänzung zur Sonnenenergie und Wasserkraft, insbesondere im Winter, überzeugt.

Das NIMBY-Phänomen, also «not in my backyard»*, scheint in der Schweiz besonders verbreitet zu sein. Wie kann man dem entgegenwirken?

Alfredo Scherngell: Windenergie muss in unserer Stromversorgung einen festen Platz haben. Für unsere Versorgungssicherheit ist sie absolut notwendig. Und ja, Windenergieanlagen sind sichtbar. Das gilt aber auch für alle anderen Energieinfrastrukturen, vom Hochspannungsmast bis zur Staumauer. An diese Beispiele haben wir uns gewöhnt, an Windräder noch nicht. Windenergie ist emotional aufgeladen. Man will jederzeit und in ausreichender Menge verfügbaren Strom, aber die Auswirkungen der Produktion nicht vor der eigenen Haustüre. Doch bei jeder Energietechnologie müssen Kompromisse eingegangen werden.

Viviane Ammann: Darum möchten wir mit Zürich Wind zu einem faktenbasierten, transparenten Dialog anregen und damit mehr Vertrauen und Akzeptanz für diese Technologie schaffen. Wir wollen das Potenzial von Windenergie für unsere Versorgungssicherheit verdeutlichen und aufzeigen, dass Wind einen substanziellen Beitrag leisten kann. Mit Windmessungen legen wir den Grundstein für eine solche faktenbasierte Diskussion.

*Englisch: Nicht in meinem Hinterhof

Windmessungen sind ein wichtiges Puzzlestück auf dem Weg zu einer neuen Windenergieanlage

Viviane, Du wohnst in Rickenbach, einer Gemeinde, in der eine Windenergieanlage entstehen soll. Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?

Viviane Ammann: Wir sind in der Gemeinde noch ganz am Anfang der Planungen, also in der Phase, in der Windmessungen durchgeführt werden. Neben Rickenbach macht Zürich Wind solche Windmessungen auch noch in zwei weiteren Gemeinden im Zürcher Weinland. Wir wollen damit untersuchen, ob es an den Standorten genug windet, damit sich der Bau und Betrieb einer Anlage überhaupt lohnt. Die Windmessungen sind somit ein wichtiges Puzzlestück der Standortprüfung und der allererste Schritt auf dem langen Weg zu einer Windenergieanlage, die dereinst Strom produziert. In meiner Gemeinde wurden wir für dieses Vorhaben mit offenen Armen willkommen geheissen. Die Rickenbacher Bevölkerung zeigt eine grosse Offenheit. Das stimmt uns zuversichtlich – und macht mich persönlich als Einwohnerin natürlich auch sehr stolz!

EKZ engagiert sich für mehr Erneuerbare Energie
Zürich Wind