«Die sicherste Lösung für das Atommüll-Problem»

Im Zürcher Unterland will die Nagra ein Tiefenlager für strahlende Abfälle aus der Kernenergie errichten. Ein Jahrhundertprojekt, seit Jahrzehnten in Planung, wird nun konkret.

Luc Descombes
19. Mai 2025
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Bilder: Nagra

Markiert durch die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Beznau I, setzte die Schweiz in der Stromversorgung ab 1969 auf die Kernenergie. Bereits drei Jahre danach, 1972, begann die Nagra mit der Forschung nach einer Lösung für das daraus resultierende Atommüll-Problem.

Markiert durch die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Beznau I, setzte die Schweiz in der Stromversorgung ab 1969 auf die Kernenergie. Bereits drei Jahre danach, 1972, begann die Nagra mit der Forschung nach einer Lösung für das daraus resultierende Atommüll-Problem.

Das Jahrhundertprojekt in Zahlen

  • Lagerungstiefe: 800 Meter
  • Lagerungsdauer: Bis zu eine Million Jahre
  • Kosten: ca. 12 Milliarden Franken
  • Lagerungstiefe: 800 Meter
  • Lagerungsdauer: Bis zu eine Million Jahre
  • Kosten: ca. 12 Milliarden Franken
Der Bohrplatz der Nagra in Stadel
Der Bohrplatz der Nagra in Stadel
Das Felsenlabor Grimsel liegt 450 Meter tief unter dem Juchlistock, 1730 Meter über Meer in granitischen Gesteinen des Aarmassivs. Hier gibt es ideale Rahmenbedingungen für verschiedenste Experimente. Im Massstab 1:1 künftiger Tiefenlager wird geprüft, wie gut der Einschluss radioaktiver Substanzen in Stollen und im Felsen funktionieren. International einzigartig ist: Im Felslabor Grimsel dürfen Wissenschafter kleinste Mengen an radioaktiven Substanzen einsetzen, um den Transport dieser Substanzen direkt im Gestein zu untersuchen.

Wieso müssen radioaktive Abfälle so lange gelagert werden?

Weil sie über Jahrtausende hinweg gefährliche Strahlung abgeben. Viele radioaktive Isotope haben lange Halbwertszeiten, wie z.B. Plutonium-239 (über 24‘000 Jahre). Diese Strahlung kann gesundheitliche Schäden verursachen. Um die Umwelt und Menschen zu schützen, muss der Müll aktuell über lange Zeiträume in sicheren, geologisch stabilen Tiefenlagern isoliert werden, bis die Strahlung ausreichend abgeklungen ist.

Weil sie über Jahrtausende hinweg gefährliche Strahlung abgeben. Viele radioaktive Isotope haben lange Halbwertszeiten, wie z.B. Plutonium-239 (über 24‘000 Jahre). Diese Strahlung kann gesundheitliche Schäden verursachen. Um die Umwelt und Menschen zu schützen, muss der Müll aktuell über lange Zeiträume in sicheren, geologisch stabilen Tiefenlagern isoliert werden, bis die Strahlung ausreichend abgeklungen ist.

Optimale Gesteinszusammensetzung

Im vergangenen Jahr wurde nun das Rahmenbewilligungsgesuch für den Bau eines Tiefenlagers im Haberstal bei der Gemeinde Stadel eingereicht. Die Gesteinsschichten an dieser Stelle haben gemäss Nagra eine optimale Qualität für eine sichere Verwahrung von radioaktiven Abfällen über Hundertausende von Jahren. Läuft alles nach Plan, werden hier ab 2034 die ersten Bauarbeiten beginnen.

Optimale Gesteinszusammensetzung

Im vergangenen Jahr wurde nun das Rahmenbewilligungsgesuch für den Bau eines Tiefenlagers im Haberstal bei der Gemeinde Stadel eingereicht. Die Gesteinsschichten an dieser Stelle haben gemäss Nagra eine optimale Qualität für eine sichere Verwahrung von radioaktiven Abfällen über Hundertausende von Jahren. Läuft alles nach Plan, werden hier ab 2034 die ersten Bauarbeiten beginnen.

Tiefenlager im Opalinuston
Darstellung des Gesteinsschichten von Nagra
Die Nagra hat schweizweit lange nach dem geeignetsten Standort für ein Tiefenlager gesucht. In der Region Nördlich Lägern im Zürcher Unterland stiess man eine Gesteinsqualität, die sich für ein Tiefenlager sehr gut eignet. An dieser Stelle im Opalinuston schliesst das Gestein den hochradioaktiven Abfall über Zeiträume von bis zu einer Million Jahre am besten ein. Zudem gibt es dort viel Platz, so dass man sehr flexibel ist und das Lager genauso bauen kann, wie es sein muss.

Die Einlagerung schwach- und mittelaktiver Abfälle könnte 2050, jene von hochradioaktiven Abfälle 2060 starten. Doch erst etwa in hundert Jahren, im Jahr 2125, dürfte nach einer langfristigen Beobachtungsphase das Lager auf Anweisung des Bundesrats verschlossen werden.

Die Einlagerung schwach- und mittelaktiver Abfälle könnte 2050, jene von hochradioaktiven Abfälle 2060 starten. Doch erst etwa in hundert Jahren, im Jahr 2125, dürfte nach einer langfristigen Beobachtungsphase das Lager auf Anweisung des Bundesrats verschlossen werden.

Mit Leidenschaft auf Lösungssuche
«Ein Tiefenlager zu planen, bedeutet, Probleme zu lösen», Geologie-Ingenieurin Berrak Firat über ihre Arbeit bei der Nagra.
Ingo Blechschmidt leitet das Nagra-Felsenlabor Grimsel, das bereits 1984 eröffnet wurde. Forschungs-Kollaborationen wie sie es im Felslabor gibt, ermöglichen den Aufbau eines weltumspannenden Beziehungsnetzes. Die Schweiz bleibt dadurch am Puls des Geschehens während die Nagra mit dieser Plattform erfolgreich ihr Know-​how der internationalen Forschungsgemeinschaft zugänglich machen kann.
«Die Nagra verfügt über ein einzigartiges Wissen zu Tongesteinen. Zudem haben wir zusammen mit dem Paul Scherrer Institut Pionierarbeit auf dem Gebiet des Radionuklidtransports geleistet. Da stecken 20 bis 30 Jahre intensiver Forschung dahinter. Viele Entsorgungsorganisationen verwenden unsere Erkenntnisse in ihren Programmen.» - Irina Gaus wurde 2023 zur Leiterin des Unternehmensbereichs Optimierungen ernannt und ist seither in der Geschäftsleitung von Nagra.

Drei Fragen an die Nagra

Weshalb müssen wir Atommüll im Boden vergraben? 

Es ist heute breiter wissenschaftlicher Konsens, dass die Tiefenlagerung die sicherste Lösung ist, um Atommüll über hunderttausende von Jahren zu verwahren. In 800 Metern Tiefe steht die Zeit quasi still. Hier können wir – anders als an der Erdoberfläche – zuverlässige Prognosen über sehr lange Zeit machen. 

Den optimalen Standort dafür haben Sie nun bei der Gemeinde Stadel gefunden?

Wir haben schweizweit sehr lange nach dem geeigneten Standort gesucht. In der Region Nördlich Lägern im Zürcher Unterland sind wir auf eine Gesteinsqualität gestossen, die sich für ein Tiefenlager sehr gut eignet. An dieser Stelle schliesst das Gestein den hochradioaktiven Abfall über Zeiträume von bis zu einer Million Jahre am besten ein. Zudem haben wir dort am meisten Platz, damit wir das Lager genauso bauen können, wie wir es uns vorstellen. 

Nach 10'000 Jahren soll radioaktives Material aus dem Tiefenlager in die Biosphäre übertreten. Was entgegnen Sie den kritischen Stimmen, die deshalb ein Tiefenlager ablehnen?

Es ist richtig, dass ein Tiefenlager nie zu 100 Prozent dicht sein wird. Nach zehntausenden von Jahren werden minimale Mengen austreten, das bestätigen unsere eigenen Berechnungen. Die Frage ist, um welche Mengen es sich dabei handelt. Wir gehen davon aus, dass wir den durch den Bund vorgegebenen Grenzwert dereinst um den Faktor 1000 unterschreiten werden. Das würde dann konkret bedeuten, dass im ungünstigsten Fall jemand, der direkt über dem Tiefenlager lebt, wegen dem Lager pro Jahr zusätzlich so viel Strahlung aufnimmt, wie wenn er eine kurze Wanderung in den Alpen unternimmt. 
 

Weshalb müssen wir Atommüll im Boden vergraben? 

Es ist heute breiter wissenschaftlicher Konsens, dass die Tiefenlagerung die sicherste Lösung ist, um Atommüll über hunderttausende von Jahren zu verwahren. In 800 Metern Tiefe steht die Zeit quasi still. Hier können wir – anders als an der Erdoberfläche – zuverlässige Prognosen über sehr lange Zeit machen. 

Den optimalen Standort dafür haben Sie nun bei der Gemeinde Stadel gefunden?

Wir haben schweizweit sehr lange nach dem geeigneten Standort gesucht. In der Region Nördlich Lägern im Zürcher Unterland sind wir auf eine Gesteinsqualität gestossen, die sich für ein Tiefenlager sehr gut eignet. An dieser Stelle schliesst das Gestein den hochradioaktiven Abfall über Zeiträume von bis zu einer Million Jahre am besten ein. Zudem haben wir dort am meisten Platz, damit wir das Lager genauso bauen können, wie wir es uns vorstellen. 

Nach 10'000 Jahren soll radioaktives Material aus dem Tiefenlager in die Biosphäre übertreten. Was entgegnen Sie den kritischen Stimmen, die deshalb ein Tiefenlager ablehnen?

Es ist richtig, dass ein Tiefenlager nie zu 100 Prozent dicht sein wird. Nach zehntausenden von Jahren werden minimale Mengen austreten, das bestätigen unsere eigenen Berechnungen. Die Frage ist, um welche Mengen es sich dabei handelt. Wir gehen davon aus, dass wir den durch den Bund vorgegebenen Grenzwert dereinst um den Faktor 1000 unterschreiten werden. Das würde dann konkret bedeuten, dass im ungünstigsten Fall jemand, der direkt über dem Tiefenlager lebt, wegen dem Lager pro Jahr zusätzlich so viel Strahlung aufnimmt, wie wenn er eine kurze Wanderung in den Alpen unternimmt. 
 

Könnte das Atommüll-Problem auch anders gelöst werden?

Der Tiefenlager-Plan der Nagra ist nicht frei von Kritik. Zum Teil richtet sich diese gegen Details in der Ausgestaltung des Lagers, teilweise ist sie grundsätzlicher Natur. So vertreten gewisse Kritikerinnen und Kritiker die Meinung, dass in den kommenden Jahren innovative Technologien marktreif würden, die radioaktive Abfälle schneller beseitigen und ein Tiefenlager unnötig machen könnten. Wir haben sowohl mit der Nagra wie auch mit einem Kritiker ausführliche Interviews zum Jahrhundertprojekt der Nagra geführt.

Könnte das Atommüll-Problem auch anders gelöst werden?

Der Tiefenlager-Plan der Nagra ist nicht frei von Kritik. Zum Teil richtet sich diese gegen Details in der Ausgestaltung des Lagers, teilweise ist sie grundsätzlicher Natur. So vertreten gewisse Kritikerinnen und Kritiker die Meinung, dass in den kommenden Jahren innovative Technologien marktreif würden, die radioaktive Abfälle schneller beseitigen und ein Tiefenlager unnötig machen könnten. Wir haben sowohl mit der Nagra wie auch mit einem Kritiker ausführliche Interviews zum Jahrhundertprojekt der Nagra geführt.

Impressionen: Das Nagra-Tiefenlager
Eine Visualisierung der Oberflächenanlage der Nagra in Stadel.
Im Tiefenlager werden sowohl hoch- wie auch mittelaktive Abfälle gelagert werden.
Hochaktive Abfälle im späteren Tiefenlager.
Diese Visualisierung zeigt die ganze Dimension des Jahrhundertprojekts Tiefenlager.
Zur Nagra

Interviews zum Thema Tiefenlager
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«Nach 10'000 Jahren wird radioaktives Material freigesetzt»

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