TEXT Sophia Siegenthaler und Annette Hirschberg — FOTO Juerg Isler — 11. Oktober 2019
Kurz vor Weihnachten ist es so weit: Dann wird das neue
Kraftwerk Dietikon den Betrieb aufnehmen. Künftig liefert
das Kraftwerk rund 18 Prozent mehr Strom und bietet Fischen volle Bewegungsfreiheit. Die Turbinen werden bereits getestet.
Die Bauarbeiten am Kraftwerk Dietikon befinden sich in der finalen Phase. Zurzeit wird der Oberwasserkanal noch an mehreren Stellen ausgebessert. Wasser ist noch keines darin. Bereits jetzt sehe man aber eigentlich den fertigen Zustand, sagt Chefbauleiter Michael Noll. «Das Auffälligste ist der riesige Horizontalrechen für die Fischabstiegsanlage beim Hauptkraftwerk, derzeit der grösste im deutschsprachigen Raum. Vorher gab es nur direkt vor dem Einlauf einen viel kleineren Vertikalrechen. Der neue ragt weit in den Oberwasserkanal hinein, wodurch der Kanal zu einem Teil ein Dach bekommen hat.» Der diplomierte Bauingenieur des Ingenieurunternehmens Lombardi koordiniert die Unternehmen im Auftrag von EKZ. Der Rechen stehe so schräg, damit die Fische den Abstieg über den umgebauten Bypass schaffen. Der Abstand zwischen den Stäben des Rechens ist gerade mal 2 Zentimeter, damit die grösseren Fische nicht in die Turbine geraten können.
«Der 107 Meter lange Fischaufstieg ist nach neuesten Erkenntnissen konzipiert worden.»
Der Fischschutz steht im Fokus
Nicht nur hier hat EKZ viel für den Fischschutz aufgewendet. Auch der neue, 107 Meter lange Fischaufstieg neben dem Kraftwerk sei nach neuesten Erkenntnissen gebaut worden, erzählt Noll. Für die Lockströmung – damit die Fische den Aufstieg finden, wird eine zusätzliche Strömung erzeugt – wurde extra eine spezielle Düse eingebaut. Die Fische überwinden beim Aufstieg eine Höhe von gut 4,5 Metern. Über eine spezielle Schützenstellung werden die wandernden Fische in einem Fischzählbecken eingefangen. Nach Inbetriebnahme wird mindestens einmal am Tag während mindestens eines Jahres das Wasser abgelassen und jeder Fisch von Hand vermessen und auf Verletzungen untersucht. Danach werden die Fische über eine Rutsche wieder in den Oberwasserkanal eingesetzt. Die Wiederherstellung der Fischgängigkeit ist ein zentraler Bestandteil der Konzessionserneuerung.
Das Wasser kann kommen
«Ursprünglich wollten wir den Kanal bereits Ende August wieder füllen. Damit müssen wir aber bis Mitte November warten, weil das Tiefbauamt des Kantons derzeit die Brücke der Überlandstrasse über den Oberwasserkanal erweitert», sagt Noll. Im Kraftwerksgebäude sind die Turbinen aber schon fertig eingebaut und angeschlossen. «Seit Mitte August wurden die Maschinengruppen trocken in Betrieb genommen. Läuft alles gut, wird bald nass getestet», erklärt der Experte. Der richtige Probebetrieb beginnt nach Abschluss aller Tests kurz vor Weihnachten. Die Turbinen produzieren dann schon Strom.
«Seit Mitte August wurden die Maschinengruppen trocken in Betrieb genommen. Läuft alles gut,
wird bald nass getestet.»
Blickt Noll zurück, hat er vor allem positive Erinnerungen an die letzten 18 Monate: «Die Bauzeit der beiden Kraftwerke war sehr sportlich. Wir haben im Februar 2018 begonnen, und Ende August 2019 waren wir bereits fertig.» Dass dies möglich gewesen sei, habe sehr stark mit den beteiligten Unternehmen zu tun. «Das Miteinander hier in Dietikon war wirklich bemerkenswert. Alle haben immer versucht, pragmatische Lösungen über kurze Entscheidungswege zu finden. So kamen wir voran und man ging gern auf die Baustelle.» Die Arbeit zahlt sich aus: Das Kraftwerk wird künftig erneuerbare Energie für 4500 Vierpersonenhaushalte produzieren und zu einer bedeutenden Verbesserung der Lebensräume für Fauna und Flora beitragen.
– Höhe: 6,50 m
– Länge: 32,60 m
– Gewicht: 46 000 kg
– Fläche: 200 m2 bei lediglich 20 mm Stababstand
Als Vergleich: Ein durchschnittliches Auto wiegt rund 1400 kg. Das Gewicht entspricht also rund 32 Autos.
Zum Naturschutzgebiet der Dietiker und Geroldswiler Auen gehört der EKZ-Wald, wo geschützte und bedrohte Vögel brüten. Auf der Nordseite der EKZ-Insel erhielt der Auenwald im Rahmen der Kraftwerkserneuerung einen Nebenarm der Limmat. Zum Schutz der Vögel gilt für diesen Abschnitt neu ein Betretungsverbot: Der Uferweg
entlang der Limmat wurde aufgehoben und die Spaziergänger umgeleitet. Ein Vogelbeobachtungsstand gibt durch Schlitze den Blick auf die Insel und die beiden Wasseradern Limmat und Dornau frei.
Die starr verbauten Ufer der Limmat bei Dietikon wurden zudem an vielen Stellen aufgelockert. Die neu angelegten Flachwasserbuchten und Buhnen verwandeln die Limmatufer nun in geeignete Lebensräume für bedrohte Tierarten. Diese fehlten, seitdem der Fluss Ende 19. Jahrhundert begradigt und die Ufer bis tief hinunter mit Kalksteinen befestigt wurden.
Zur Uferrenaturierung gehören auch die Flachwasserzonen bei der Allmend Glanzenberg. Die Allmend bietet der Bevölkerung seit diesem Sommer Zugang zur Limmat, welcher vor allem von Limmatböötlern genutzt werden dürfte, sowie ein Naherholungsgebiet mit Grillstellen, Spielwiese und fester Sanitäranlage.