Wenn aus Salz Energie wird

Wie kann Energie möglichst verlustfrei gespeichert und zum Verbraucher transportiert werden? Eine vielversprechende Antwort auf diese Frage liefert der Einsatz von thermochemischen Netzen. Daran forscht die Ingenieurin Serena Danesi an der ZHAW.

Irene M. Wrabel
23. Juni 2020
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Frau Danesi, Sie forschen an der ZHAW im Bereich thermische Speicher. Was versteht man darunter?

Erneuerbare Energien sind die Zukunft, aber ohne entsprechende Speichertechnologien haben wir wenig Chancen, fossile Brennstoffe oder auch Kernenergie zu ersetzen. Derzeit verfügbare Speichertechnologien haben über längere Zeiträume hohe Energieverluste oder sind in der Herstellung sehr teuer. Wir arbeiten an einer neuen Technologie zur Wärme- und Kälteversorgung, welche ein Arbeitsmedium benutzt, in dem Energie bereits natürlich gespeichert ist. Diese kann über beliebig lange Zeiträume verlustlos transportiert werden. Mit dem Einsatz dieser sogenannten thermochemischen Technologie könnte eine höhere Quote des Energieverbrauchs in der Schweiz – bis zu 40 Prozent – mit regenerativen Energiequellen abgedeckt werden.

Erneuerbare Energien sind die Zukunft, aber ohne entsprechende Speichertechnologien haben wir wenig Chancen, fossile Brennstoffe oder auch Kernenergie zu ersetzen.

Wie funktionieren solche thermochemischen Netze?

Zugegeben, das ist nicht ganz einfach zu verstehen. Am besten stellen Sie sich normale Fernwärmenetze vor, welche anstelle von warmem Wasser mit einer konzentrierten Salzlösung, sogenanntem thermochemischem Fluid, bei Umgebungstemperatur betrieben werden. Wenn die Salzlösung nun in Kontakt mit feuchter Luft kommt, wird die Feuchtigkeit von der Salzlösung absorbiert und dabei Wärme freigegeben. Die Salzlösung transportiert keine Wärme, sondern nur ein Potenzial, mit dem bei Bedarf Wärmeenergie produziert werden kann, ähnlich wie zum Beispiel Gas, mit dem ja auch erst Wärmeenergie erzeugt wird, wenn wir es verbrennen.

Das Gas wird in diesem Prozess ja verbraucht. Ist das mit der Salzlösung dasselbe?

Nein, die Salzlösung wird wieder regeneriert, wenn sie das Wasser absorbiert hat. Dies geschieht, indem wir sie in Kontakt mit trockener Luft bringen. Deswegen sprechen wir von Netzen und Kreislauf. In herkömmlichen thermischen Netzen fliesst warmes Wasser zum Verbraucher und kaltes Wasser kommt zurück. Thermochemische Netze transportieren also eine konzentrierte Salzlösung zum Verbraucher und verdünnte Salzlösung zurück.

Ist das ein komplizierter Prozess?

Das ist genau der umgekehrte Prozess der Absorption. Trockene Luft kommt in Kontakt mit der verdünnten Salzlösung und absorbiert einen Teil von deren Feuchtigkeit. Um die relative Feuchtigkeit der Luft zu senken bzw. ihr Absorptionspotenzial zu steigern, wird die Luft oder/und die Salzlösung leicht erwärmt. Dazu können erneuerbare Niedertemperatur-Wärmequellen wie Solarwärme oder auch Abwärme, wie sie zum Beispiel in Rechenzentren entsteht, benutzt werden.

Und wie sieht es mit der Speicherung aus, muss die Salzlösung im Vakuum lagern? Sie soll ja nicht mit Luft in Berührung kommen.

Nein, dazu braucht man kein Vakuum. Es ist ausreichend, die Salzlösung unter Luftabschluss zu lagern. Was jedoch wichtig ist, ist die Materialität des Tanks. Metall kommt dafür nicht in Frage, weil Salz korrosiv wirkt. Deshalb werden Rohrleitungen und Behälter aus Kunststoff eingesetzt. Nur die Wärmeübertrager sind aus Metall und besitzen eine spezielle Beschichtung. Aktuell wird an solchen neuartigen Beschichtungen geforscht, dazu läuft ein EU-Projekt. Die Entwicklung dieser Spezialmaterialien ist zwar teuer, aber sobald in grossem Stil produziert werden kann, wird das schnell günstiger.

Frau Danesi, Sie forschen an der ZHAW im Bereich thermische Speicher. Was versteht man darunter?

Erneuerbare Energien sind die Zukunft, aber ohne entsprechende Speichertechnologien haben wir wenig Chancen, fossile Brennstoffe oder auch Kernenergie zu ersetzen. Derzeit verfügbare Speichertechnologien haben über längere Zeiträume hohe Energieverluste oder sind in der Herstellung sehr teuer. Wir arbeiten an einer neuen Technologie zur Wärme- und Kälteversorgung, welche ein Arbeitsmedium benutzt, in dem Energie bereits natürlich gespeichert ist. Diese kann über beliebig lange Zeiträume verlustlos transportiert werden. Mit dem Einsatz dieser sogenannten thermochemischen Technologie könnte eine höhere Quote des Energieverbrauchs in der Schweiz – bis zu 40 Prozent – mit regenerativen Energiequellen abgedeckt werden.

Erneuerbare Energien sind die Zukunft, aber ohne entsprechende Speichertechnologien haben wir wenig Chancen, fossile Brennstoffe oder auch Kernenergie zu ersetzen.

Wie funktionieren solche thermochemischen Netze?

Zugegeben, das ist nicht ganz einfach zu verstehen. Am besten stellen Sie sich normale Fernwärmenetze vor, welche anstelle von warmem Wasser mit einer konzentrierten Salzlösung, sogenanntem thermochemischem Fluid, bei Umgebungstemperatur betrieben werden. Wenn die Salzlösung nun in Kontakt mit feuchter Luft kommt, wird die Feuchtigkeit von der Salzlösung absorbiert und dabei Wärme freigegeben. Die Salzlösung transportiert keine Wärme, sondern nur ein Potenzial, mit dem bei Bedarf Wärmeenergie produziert werden kann, ähnlich wie zum Beispiel Gas, mit dem ja auch erst Wärmeenergie erzeugt wird, wenn wir es verbrennen.

Das Gas wird in diesem Prozess ja verbraucht. Ist das mit der Salzlösung dasselbe?

Nein, die Salzlösung wird wieder regeneriert, wenn sie das Wasser absorbiert hat. Dies geschieht, indem wir sie in Kontakt mit trockener Luft bringen. Deswegen sprechen wir von Netzen und Kreislauf. In herkömmlichen thermischen Netzen fliesst warmes Wasser zum Verbraucher und kaltes Wasser kommt zurück. Thermochemische Netze transportieren also eine konzentrierte Salzlösung zum Verbraucher und verdünnte Salzlösung zurück.

Ist das ein komplizierter Prozess?

Das ist genau der umgekehrte Prozess der Absorption. Trockene Luft kommt in Kontakt mit der verdünnten Salzlösung und absorbiert einen Teil von deren Feuchtigkeit. Um die relative Feuchtigkeit der Luft zu senken bzw. ihr Absorptionspotenzial zu steigern, wird die Luft oder/und die Salzlösung leicht erwärmt. Dazu können erneuerbare Niedertemperatur-Wärmequellen wie Solarwärme oder auch Abwärme, wie sie zum Beispiel in Rechenzentren entsteht, benutzt werden.

Und wie sieht es mit der Speicherung aus, muss die Salzlösung im Vakuum lagern? Sie soll ja nicht mit Luft in Berührung kommen.

Nein, dazu braucht man kein Vakuum. Es ist ausreichend, die Salzlösung unter Luftabschluss zu lagern. Was jedoch wichtig ist, ist die Materialität des Tanks. Metall kommt dafür nicht in Frage, weil Salz korrosiv wirkt. Deshalb werden Rohrleitungen und Behälter aus Kunststoff eingesetzt. Nur die Wärmeübertrager sind aus Metall und besitzen eine spezielle Beschichtung. Aktuell wird an solchen neuartigen Beschichtungen geforscht, dazu läuft ein EU-Projekt. Die Entwicklung dieser Spezialmaterialien ist zwar teuer, aber sobald in grossem Stil produziert werden kann, wird das schnell günstiger.

Salz als Energieträger
Mit einer Nebelmaschine wurde im Gewächshaus Meyer Orchideen AG die Luftverteilung getestet, um das Lufverteilungssystem zu optimieren.
Prototyp eines Absorbers zur Luftentfeuchtung

Kommen wir mal auf die praktische Anwendung zu sprechen. Sie haben mit dem Team der ZHAW im Gewächshaus der Meyer Orchideen AG eine Anwendung für ein thermochemisches Netz aufgebaut und wurden dafür mit dem Watt d’Or ausgezeichnet. Wie kam es zu dem Projekt?

Das Gewächshaus war für uns ein idealer Anwendungsfall, da man hier Temperatur und Feuchtigkeit steuern muss. Das geschieht simultan in einem Absorber. Im Gewächshaus herrscht eine hohe Feuchtigkeit, die man reduzieren muss, und ein hoher Heizwärmebedarf. Im Absorber wird die Luft entfeuchtet, wobei Heizwärme frei wird, das Gewächshaus also beheizt wird. Das hat sehr gut funktioniert. Wir haben Messdaten aus dem Januar 2019 vorliegen, da war die Luft so feucht, dass wir mehr Wärme zurückgewonnen haben als nötig.

Wäre es nicht eine Möglichkeit, dass jedes Wohnhaus auch ein Gewächshaus hat?

Ja, durchaus. Es gibt sogar Konzepte, grössere Areale in eine Art Klimahülle zu packen. Wir wissen, dass es dort, wo es Pflanzen hat, immer kühler ist, weil durch diese Feuchtigkeit abgegeben wird. Mit einem thermochemischen Netzwerk könnte dieser Effekt in jeder Wohnung realisiert werden, auch ohne Pflanzen. Über die Temperatur und die Konzentration der Salzlösung können die Lufttemperatur und -feuchtigkeit wunschgemäss eingestellt werden.

Ganz konkret: Wann kann man mit breiteren Anwendungen der Technologie rechnen?

Aktuell versuchen wir, mögliche Einzelanwendungen zu erforschen. Theoretisch ist die Länge der Netze keine Einschränkung, da keine Wärmeveluste entstehen. Die Rohrleitungen müssen nicht isoliert werden, das schont Ressourcen. Wo die Wärme in Form von Salzlösung gespeichert wird, hätte man einen einfachen Tank aus Kunststoff. Für Gebäude oder Quartiere könnte man die Speicher direkt bei den Verbrauchern installieren. Doch im Detail ist da noch sehr viel Vorarbeit in Form entsprechender Konzepte zu leisten, das muss architektonisch gedacht werden. Anders als bei heutigen Heizungen wird die Luft nicht über Heizkörper erwärmt, sondern durch Luftwäscher simultan temperiert und be- oder entfeuchtet. Diese Geräte müssen erst entwickelt und erprobt werden.

Lassen sich heute bereits Kosten abschätzen?

Genaue Zahlen in Bezug auf die Kosten können wir noch nicht zuverlässig liefern. Was man jedoch schon sagen kann, ist, dass der Aufwand überschaubar sein müsste. Doch wie gesagt, es ist alles noch in Erforschung.

Gibt es einen Zeithorizont?

Es gibt noch viel zu tun, auch auf normativer und politisch-administrativer Ebene. Da geht es um Genehmigungen und so weiter. Dann muss auch noch erforscht werden, wie man diese Netze steuert. Kleine Anwendungen wie zum Beispiel bei Meyer sind in den nächsten fünf Jahren denkbar. Was noch dazu fehlt, sind entsprechende Fachleute. Das ist eine neue Technologie, für die es noch keine Experten gibt. Denn wenn es Störungen gibt, muss ja ein fachkundiger Techniker helfen können.

Sind alle Forschungsbereiche dazu bereits heute gut genug vernetzt?

Da besteht sicher noch Verbesserungsbedarf. Beispielsweise auf der Gebäudeebene ist es sehr schwierig. Denn neue Technologien haben es immer schwer, bestehende Technologien, die sich bisher bewährt haben, abzulösen.

Welche Anwendungen sind noch denkbar?

Thermochemische Netze eignen sich sehr gut überall dort, wo Luft mit einer definierten Temperatur und Feuchtigkeit benötigt wird. Bei industriellen Anwendungen ist das beispielsweise bei der Herstellung von Keramik oder bei Lackierungen der Fall. Aber auch bei der Lagerung besonderer Güter, etwa in Museen, in alten Kirchen und historischen Gebäuden, wo Kunstwerke vor Feuchtigkeit geschützt werden müssen, ist der Einsatz ideal.

Kommen wir mal auf die praktische Anwendung zu sprechen. Sie haben mit dem Team der ZHAW im Gewächshaus der Meyer Orchideen AG eine Anwendung für ein thermochemisches Netz aufgebaut und wurden dafür mit dem Watt d’Or ausgezeichnet. Wie kam es zu dem Projekt?

Das Gewächshaus war für uns ein idealer Anwendungsfall, da man hier Temperatur und Feuchtigkeit steuern muss. Das geschieht simultan in einem Absorber. Im Gewächshaus herrscht eine hohe Feuchtigkeit, die man reduzieren muss, und ein hoher Heizwärmebedarf. Im Absorber wird die Luft entfeuchtet, wobei Heizwärme frei wird, das Gewächshaus also beheizt wird. Das hat sehr gut funktioniert. Wir haben Messdaten aus dem Januar 2019 vorliegen, da war die Luft so feucht, dass wir mehr Wärme zurückgewonnen haben als nötig.

Wäre es nicht eine Möglichkeit, dass jedes Wohnhaus auch ein Gewächshaus hat?

Ja, durchaus. Es gibt sogar Konzepte, grössere Areale in eine Art Klimahülle zu packen. Wir wissen, dass es dort, wo es Pflanzen hat, immer kühler ist, weil durch diese Feuchtigkeit abgegeben wird. Mit einem thermochemischen Netzwerk könnte dieser Effekt in jeder Wohnung realisiert werden, auch ohne Pflanzen. Über die Temperatur und die Konzentration der Salzlösung können die Lufttemperatur und -feuchtigkeit wunschgemäss eingestellt werden.

Ganz konkret: Wann kann man mit breiteren Anwendungen der Technologie rechnen?

Aktuell versuchen wir, mögliche Einzelanwendungen zu erforschen. Theoretisch ist die Länge der Netze keine Einschränkung, da keine Wärmeveluste entstehen. Die Rohrleitungen müssen nicht isoliert werden, das schont Ressourcen. Wo die Wärme in Form von Salzlösung gespeichert wird, hätte man einen einfachen Tank aus Kunststoff. Für Gebäude oder Quartiere könnte man die Speicher direkt bei den Verbrauchern installieren. Doch im Detail ist da noch sehr viel Vorarbeit in Form entsprechender Konzepte zu leisten, das muss architektonisch gedacht werden. Anders als bei heutigen Heizungen wird die Luft nicht über Heizkörper erwärmt, sondern durch Luftwäscher simultan temperiert und be- oder entfeuchtet. Diese Geräte müssen erst entwickelt und erprobt werden.

Lassen sich heute bereits Kosten abschätzen?

Genaue Zahlen in Bezug auf die Kosten können wir noch nicht zuverlässig liefern. Was man jedoch schon sagen kann, ist, dass der Aufwand überschaubar sein müsste. Doch wie gesagt, es ist alles noch in Erforschung.

Gibt es einen Zeithorizont?

Es gibt noch viel zu tun, auch auf normativer und politisch-administrativer Ebene. Da geht es um Genehmigungen und so weiter. Dann muss auch noch erforscht werden, wie man diese Netze steuert. Kleine Anwendungen wie zum Beispiel bei Meyer sind in den nächsten fünf Jahren denkbar. Was noch dazu fehlt, sind entsprechende Fachleute. Das ist eine neue Technologie, für die es noch keine Experten gibt. Denn wenn es Störungen gibt, muss ja ein fachkundiger Techniker helfen können.

Sind alle Forschungsbereiche dazu bereits heute gut genug vernetzt?

Da besteht sicher noch Verbesserungsbedarf. Beispielsweise auf der Gebäudeebene ist es sehr schwierig. Denn neue Technologien haben es immer schwer, bestehende Technologien, die sich bisher bewährt haben, abzulösen.

Welche Anwendungen sind noch denkbar?

Thermochemische Netze eignen sich sehr gut überall dort, wo Luft mit einer definierten Temperatur und Feuchtigkeit benötigt wird. Bei industriellen Anwendungen ist das beispielsweise bei der Herstellung von Keramik oder bei Lackierungen der Fall. Aber auch bei der Lagerung besonderer Güter, etwa in Museen, in alten Kirchen und historischen Gebäuden, wo Kunstwerke vor Feuchtigkeit geschützt werden müssen, ist der Einsatz ideal.