Können Sie das an einem einfachen Beispiel veranschaulichen: Warum ist das «Verstromen» des Gases effizienter?
Wir nehmen einen Kubikmeter Gas. Daraus machen wir nun mit Hilfe eines Gas-Kombi-Kraftwerks Strom. Dabei entstehen etwa 40 Prozent der Energie als Abwärme. Diese Abwärme nutzen wir im Winter, in dem wir sie in ein Fernwärmenetz einspeisen und damit Häuser heizen. Es verbleiben dann 60 Prozent der Energie, die wir nun in Strom umgewandelt haben. Aus einem Teil Strom macht nun eine Wärmepumpe vier bis fünf Teile Nutzwärme. Das tut sie, indem sie Umweltenergie z.B. die Erdwärme oder die im Wasser gespeicherte Wärme hinzuzieht. So können wir die im Gas enthaltene Primärenergie vervierfachen. Ähnlich sieht es bei der Elektromobilität aus. Es ist wichtig, über diese Thematik aufzuklären. Denn dieses Potenzial wird in der Bevölkerung noch nicht erkannt.
Wir Schweizer sind absolute Musterschüler punkto CO2-Ausstoss pro Kilowattstunde Strom, die wir verbrauchen
Woher nehmen wir denn das Gas?
Wir beziehen das Gas heute bereits. Zudem wird die Schweiz von einer Transitgasleitung durchquert. Diese verbindet die Niederlande mit Italien. Sie weist eine enorme Leistungsdichte aus. Im vollen Betrieb fliesst etwa die Leistung von 17 Kernkraftwerken pro Stunde durch diese Leitung. Die Schweiz ist daran angeschlossen und hätte im Notfall auch das Recht, Gas zu beziehen. Natürlich, in Osteuropa ist man noch sehr abhängig von russischem Gas. Im westlichen Europa sind wir etwas unabhängiger und auch der Gaspreis hat sich seit seinem Hoch 2022 wieder gefangen. Heute ist fast wieder zu viel Gas auf dem Markt. Der Gasmarkt funktioniert sehr gut und wir könnten auch für die Stromproduktion Zugang erlangen.
Wie erklären Sie der Schweiz, dass Sie in der Energieversorgung erst einmal auf Gas setzen wollen?
Wenn wir das genau gleiche Erdgas, das wir heute bereits einsetzen, effizienter und umweltfreundlicher nutzen können, dann sollte das doch in aller Interesse sein, oder? Wir Schweizer sind absolute Musterschüler punkto CO2-Ausstoss pro Kilowattstunde Strom, die wir verbrauchen. Dies dank dem hohen Anteil der Wasserkraft an unserem Strommix. Besser sind vielleicht noch die Norweger, die ihren gesamten Strom aus der Wasserkraft beziehen. Dafür fördert man dort Erdöl in rauen Mengen, aber das ist ein anderes Thema. Im Sinne einer sicheren Stromversorgung werden wir dieses Musterschüler-Dasein aber aufgeben müssen. Wir sollten uns grundsätzlich überlegen, ob wir vorübergehend nicht in den sauren Apfel beissen und eine etwas schlechtere CO2-Bilanz in Kauf nehmen wollen. Zumal auch bereits an Technologien geforscht wird, die es uns vielleicht bald erlauben werden, Treibhausgase von Gaskraftwerken zu sequestrieren und zu binden, sodass diese nicht in die Atmosphäre gelangen (Anmerkung der Redaktion: vgl. Climeworks oder Synhelion). Schlussendlich steht die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz auf dem Spiel.
Warum?
Weil uns andere Länder punkto günstiger und sicherer Energieversorgung abhängen könnten. Schauen Sie nach Deutschland, dort hegen bereits vier von zehn Industrieunternehmen Abwanderungspläne. Wenn wir die Industrie im Land halten wollen, müssen wir konkurrenzfähige Strompreise und eine sichere Stromversorgung mit verlässlicher Bandenergie* gewährleisten können. Mit einem Gasspeicher, den wir im Sommer füllen und im Winter verbrauchen, liesse sich ein gewisser Autarkiegrad erreichen. Das erscheint mir im Moment sinnvoller, als zu versuchen, unseren Bedarf im Winter durch Windräder zu decken, die von 20-jährigen Baubewilligungsverfahren aufgehalten werden. Wir sollten das eine Tun und das andere nicht lassen.
* Bandenergie ist konstant produzierter Strom, der den Grundbedarf an Elektrizität deckt – unabhängig davon, ob die Sonne scheint oder der Wind weht. In der Schweiz stellen Laufwasserkraftwerke sowie die Kernenergie diese wichtige Grundabdeckung sicher.
Die Balance zwischen Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit ist eine politische und volkswirtschaftliche Gratwanderung