Von der Konditorei zum Bienenstock

Die Liebe zur Natur und die Freude, Menschen ein echtes, ehrliches Produkt zu schenken, ist der Antrieb, mit dem Heidi Meyer seit 30 Jahren das Imkerhandwerk betreibt. Zusammen mit Manuela Keller führt sie einen Imkerbetrieb, der viel mehr ist als nur Honigproduktion.

Irene M. Wrabel
18. September 2025
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FOTO: Giorgia Müller - Rund 350 Bienenvölker produzieren den hochwertigen Honig der Bienenheimat.

«Es ist wie ein Virus», lacht Heidi, wenn sie von ihren Anfängen als Imkerin erzählt. Ihr Weg zu den Bienen begann 1995 – eher zufällig als geplant. «Mein Grossvater ist gestorben, aber seine Bienen waren noch da. Und ich habe gedacht: Wäre ja schade, wenn das jetzt alles weg ist.» Also begann sie, zunächst ganz klein, neben ihrem Beruf als Konditorin. «Ich habe 80 Prozent gearbeitet – und nebenher geimkert. Es war zwar mehr als ein Hobby, aber noch keine Firma.» Erst 2014 wagte sie den grossen Schritt: Heidi kündigte ihren Job und machte sich selbstständig. Der Name damals: Heidis Bienenland. Erst als Manuela Keller dazu kam, wurde daraus die Bienenheimat. Doch dazu später mehr.

Marc Sway
Die Bienenflüsterin aus Wil ZH: Seit rund 30 Jahren ist Heidi Meyer Imkerin aus Überzeugung.

Eine neue Leidenschaft entdecken

«Ich wollte mit 40 noch einmal etwas anderes machen», erinnert sich Heidi. «Und dann haben sich viele Türen aufgetan: Ich habe eine Ausbildung gemacht und Grundkurse gegeben. Schliesslich wurden es zunehmend mehr Völker.» Doch nicht immer lief alles rund. «Ich hatte eine Hüftoperation, musste ins Spital. Da habe ich viele Völker verloren.» Aber aufgeben war für Heidi keine Option. «Als ich wieder gesund war, habe ich mir gesagt: Jetzt fange ich nochmal an!»

Wir begleiten die Bienen und schaffen ihnen das bestmögliche Umfeld

Heidis Bienenland wuchs dank ihres unermüdlichen Engagements. Sie steckte viel Herzblut in ihre Bienen. Doch irgendwann ging es nicht mehr ohne Unterstützung. «2018 kam Manuela vorbei, um beim Schleudern zu helfen. Ich kannte sie schon von früher.» «Ich dachte, ich helfe einfach beim Abfüllen», erinnert sich Manuela. Ein Jahr später war sie wieder da. «Dann ging ich mit zu den Bienen. Und das hat mich umgehauen. Wenn ich nur Honig geschleudert hätte, wäre ich vielleicht nie eingestiegen.» Der Bienenvirus hatte auch sie gepackt. Manuela Keller ist ebenfalls gelernte Bäckerin/Konditorin und hatte eigentlich andere Pläne. Sie war in früheren Jahren auf Mission in Südafrika und wollte wieder dorthin zurück. «Doch dann kam Corona und ich konnte nicht weg.» Sie blieb. «Und dann habe ich gedacht: Warum nicht ganz einsteigen?» 2023 gründeten die beiden Frauen offiziell die Bienenheimat.

Quereinsteigerin mit Leidenschaft: Manuela Keller kam 2019 zu den Bienen – und seither nicht mehr davon los.

Die Philosophie: Bio, ehrlich, naturverbunden

Bereits seit 2019 ist die Imkerei bio-zertifiziert, aus Überzeugung: «Ich wollte mich absetzen von den anderen und das beste Produkt machen», erklärt Heidi. EKZ ist übrigens seit Jahren Kundin und verschenkt den Honig aus dem Thurgau an ihre Partner. Bio bedeutet: keine Chemie, keine Pestizide, Respekt für das Tier. «Wir begleiten die Bienen, wir schaffen ihnen das bestmögliche Umfeld. Sie könnten vieles auch ohne uns – aber wir sind sozusagen die Betreuerinnen, wie bei einer Olympiade», sagt Heidi lachend.

Die Arbeit richtet sich nach der Natur, nicht umgekehrt. «Es ist wie überall in der Landwirtschaft: Wenn es blüht, musst du da sein. In den drei Monaten Mai, Juni und Juli arbeiten wir sieben Tage die Woche, von früh bis spät.» Und der Ertrag? «Den bestimmt das Wetter», sagt Heidi. «Wenn es zu kalt ist, gibt die Pflanze keinen Nektar ab. Wenn es zu trocken ist, auch nicht.» Klimawandel und extreme Schwankungen sind eine immer grössere Herausforderung. «Die letzten vier Jahre waren schwierig – mal gar kein Honig im Frühling, mal ein super Sommer.»

Unser Honig bleibt, wie ihn die Bienen geschaffen haben

Doch die beiden Frauen sind kreativ. «Wir machen Honigpralinen, Honigläckerli oder auch Pollen-Schokolade, alles unter einem Dach», erzählt Manu. „Und Blütenpollen sind das Gesündeste, was das Bienenvolk liefert: 60 Gramm Eiweiss auf 100 Gramm!“ Die Pollen sammeln sie im Frühling, trocknen sie und verarbeiten sie weiter. «Pollen eignen sich auch für die Desensibilisierung gegen Heuschnupfen», weiss Heidi. «Wichtig ist nur, dass man mit ganz geringen Mengen langsam anfängt.»

Ein Bienenvolk der Bienenheimat
Rund 350 Bienenvölker produzieren den hochwertigen Honig der Bienenheimat
Ein Bienenvolk der Bienenheimat

Honig – Handwerk und Natur in Perfektion

Neben Honig gehört die Zucht von Bienenköniginnen und ganzen Völkern zur Bienenheimat. «Wir verkaufen nicht nur Honig, sondern auch Völker und Königinnen. Das war gerade in Jahren mit wenig Honig unser Rettungsanker», erklärt Heidi. Die Königin ist das Herz eines jeden Bienenvolkes. «Es ist faszinierend: Ein einziges Tier entscheidet über das Leben von Tausenden.» Für viele Jungimkerinnen und -imker beginnt die Reise mit einer Königin aus der Bienenheimat. «Es ist schön, wenn unsere Bienen die Grundlage für neue Projekte werden.»

Industrieller Honig wird über 40 Grad erhitzt. Dabei gehen Aminosäuren, Enzyme, Vitamine verloren

Rund 350 Bienenvölker produzieren den hochwertigen Honig der Bienenheimat. Honig ist ein Naturprodukt und ist in Geschmack und Konsistenz immer wieder anders. Zwar ist Honig immer flüssig, aber irgendwann kristallisiert er. «Wir nutzen diese natürliche Kristallbildung und rühren den Honig cremig. Zwei bis drei Wochen, jeden Tag ein bisschen. So bleibt er streichzart.» Und warum wird er dazu nicht einfach erwärmt? «Weil das den Honig kaputt macht. Industrieller Honig wird über 40 Grad erhitzt. Dabei gehen Aminosäuren, Enzyme, Vitamine verloren. Unser Honig bleibt, wie ihn die Bienen geschaffen haben.» In einem Bienenstock ist es immer um die 35 Grad, das ganze Jahr über. Dieses Klima respektieren die beiden Imkerinnen und erhitzen den Honig deshalb auch nicht.

Verkaufen neben frischem Bio-Honig auch Honigpralinen, Honigläckerli oder Pollen-Schokolade: die Imkerinnen Heidi Meyer und Manuela Keller.
Bienenstöcke bei der Bienenheimat in Wil
Bienenstöcke bei der Bienenheimat in Wil

Tradition und Zukunft – es geht weiter

Die 56-Jährige Heidi denkt schon an die Zukunft. «In ein paar Jahren wird Manu die Hauptverantwortung übernehmen. Ich bleibe noch, aber sie wird dann das Ruder in der Hand haben.» Die Bienenheimat ist viel mehr als ein Unternehmen. Sie ist ein Lebensprojekt – getragen von zwei Frauen mit Leidenschaft, viel Wissen und einer tiefen Verbindung zu Natur und Tradition. «Es ist einfach ein Wunder, was diese kleinen Tiere leisten», sagt Manu. «Und wir dürfen sie dabei begleiten.»

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