TEXT Katia Soland — FOTOS & VIDEO Annette Hirschberg — 7. Mai 2019
Leicht und robust soll das VariLeg enhanced sein, das Exoskelett, das die Studierenden der ETH Zürich und HSR Rapperswil anfertigen. Carbonfasern erfüllen beide Anforderungen. Was leicht ist, ist aber nicht leicht gemacht.
28 Kilogramm – so viel wird das fertige Exoskelett wiegen, mit dem das VariLeg-enhanced-Team im nächsten Jahr am Cybathlon teilnehmen wird. Das geringe Gewicht sei den Leichtbaumethoden zu verdanken, so Michael Heid. Der Maschinenbau-Student der ETH Zürich leitet das Konstruktionsteam von VariLeg enhanced. «Leichtbau bedeutet zum Beispiel, dass die tragenden Bauteile wie die Hüfte sowie die Oberschenkel- und Unterschenkelabdeckung aus Carbon sind», erzählt er. Vor ihm auf der Werkbank liegen einzelne Teile, die an gewissen Stellen mit blauem Klebeband abgeklebt sind. «Das sind die Frästeile, die wir im Herbst am Computer konstruiert haben. Das Schwarze ist der Kern aus faserverstärktem Kunststoff, der aus dem 3D-Drucker stammt. Die Aluteile haben wir separat sandgestrahlt und dann mit dem Kern verklebt.» Doch wo ist nun das Carbon? «Das ist das Carbon», sagt Michael, und zeigt auf die schwarzen Zuschnitte auf dem Tisch. «Wir haben die Carbonfasern bereits zugeschnitten, sodass wir sie nur noch auf die entsprechenden Stellen kleben können. Das A und O beim Carbon laminieren ist aber die Vorbereitung.»
Dem Druck standhalten
Die Carbon-Teile des VariLegs werden später im Autoklav, einer Art Ofen, der nicht nur heizt, sondern auch Druck auf die Teile geben kann, gebacken respektive ausgehärtet. Bevor die Teile aber in den Autoklav gehen, brauche es einiges an Vorbereitungsarbeit, betont Michael: «Die Carbonfasern sind mit Harz vorimprägniert, das sich dann im Autoklav verflüssigt. Es braucht das Harz, damit sich die Carbonfasern nicht gegeneinander verschieben. Gleichzeitig soll das Harz aber nicht die Funktionsflächen verunreinigen.» Deshalb haben die Studierenden diese Flächen vorher mit einem speziellen blauen Malerband abgeklebt. «Dieses Blue Tape hält dem Druck und der Temperatur von ca. 100 Grad Celsius im Autoklav stand. Und es lässt sich danach einfach entfernen», erklärt Michael. Dasselbe gilt für das Salz in den schwarzen Kernen. Michael hebt das Hüftteil hoch: «Die Kerne sind innen hohl. Damit sie dem Druck von bis zu drei bar im Autoklav standhalten, haben wir sie mit Salz gefüllt. Dieses lässt sich nach dem Backen mit Wasser wieder ausspülen», sagt Michael.
Heikler Moment: Backen
Sobald alle Funktionsflächen mit Blue Tape geschützt sind, kleben die Studierenden die zugeschnittenen Carbonfasern auf. «Die Kunst dabei ist: Es darf nirgendwo Falten oder Blasen geben», so Michael. Jedes Teil wird dann einzeln in einen Vakuumsack gepackt. «Dieser ist wie eine Folie, in dem dann im Autoklaven Vakuum gezogen wird und so sicherstellt das die Carbonfasern nicht verrutschen und das flüssige Harz dort bleibt wo es sollte.» Und was, wenn der Vakuumsack ein Loch hat? «Wenn der Sack platzt, ist das sehr schlecht, weil das Vakuum dann weg ist und das Harz vom Bauteil wegfließen würde. Kurz: Das Bauteil und somit die ganze Arbeit sind futsch», meint Michael.
Damit im Vakuumsack alles rund läuft, geben die Studierenden Abreissgewebe und eine Trennfolie direkt auf das Carbon und darauf ein Absaugvlies. «Das Vlies soll das Vakuum gut verteilen und zusätzlich das überschüssige Harz aufnehmen. Die Trennfolie sorgt dafür, dass das Vlies nicht am Carbon festklebt.»
Schönes Sichtcarbon
Alle Teile werden am nächsten Tag bei ca. 100 Grad Celsius gebacken. «Zuerst wird sich das Harz verflüssigen, danach erreichen die Teile ihre Temperatur. Dann geben wir zwei bis drei bar Druck darauf.» Die Teile sind insgesamt etwa drei Stunden im Ofen. Nach dem Auskühlen der Carbonteile entfernen die Studierenden das Blue Tape. Um ein schönes Sichtcarbon zu erhalten, schleifen wir die Teile ab und lackieren sie. Und das Salz muss natürlich auch wieder raus.»

Das VariLeg enhanced ist ein elektrisch angetriebenes Wettkampf-Exoskelett für einen Paraplegiker. Entwickelt und gebaut wird es von einem interdisziplinären Team aus 15 Studierenden der ETH Zürich und der HSR Rapperswil für den CYBATHLON 2020.
varileg-enhanced.ch

Am CYBATHLON treten Menschen mit Behinderungen in unterschiedlichen Disziplinen gegeneinander an. Unter Wettkampfbedingungen bewältigen sie alltagsrelevante Aufgaben und werden dabei von technischen Assistenzsystemen unterstützt. Der CYBATHLON hat zum Ziel, den technischen Fortschritt im Bereich der assistiven Technologien voranzutreiben und der breiten Öffentlichkeit den aktuellen Stand der Technik zu zeigen. EKZ ist einer der Presenting Partners des CYBATHLON, der am 2. und 3. Mai 2020 in der Swiss Arena in Kloten stattfinden wird.
cybathlon.ch