«Der Schweizer Weg ohne Kernkraft ist ein Sonderfall» (1/2)

Der Klimawandel ist für Andreas Pautz die grösste Herausforderung unserer Zeit. Darum plädiert der Nuklearexperte für technologische Offenheit. Die Schweiz solle zumindest prüfen, welchen Beitrag existierende und neue Reaktoren zukünftig für die Energieversorgung leisten können.

Luc Descombes
19. März 2023
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Foto: zVg - Dr. Andreas Pautz, Professor für Nuklearingenieurwesen an der ETH Lausanne und Leiter des Forschungsbereichs Nukleare Energie und Sicherheit am Paul Scherrer Institut (PSI).

Herr Pautz, wie beurteilen Sie grundsätzlich den Fortschritt der Schweiz Richtung erneuerbare Energiezukunft?

Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass die Schweiz sehr gute Ausgangsvoraussetzungen hat, ihre Klimaziele bis 2050 zu erreichen. Wir profitieren ganz erheblich von der Wasserkraft als dem Rückgrat unserer Stromversorgung und verfügen über grosses Potenzial für die Solarenergie. Allerdings ist die gegenwärtige Geschwindigkeit bei der Umsetzung der Massnahmen der Energiestrategie nicht annähernd ausreichend. Dort müssen wir viel schneller vorwärts machen, sonst ist das Nettonullziel des Bundes bis 2050 meines Erachtens stark gefährdet.

Herr Pautz, wie beurteilen Sie grundsätzlich den Fortschritt der Schweiz Richtung erneuerbare Energiezukunft?

Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass die Schweiz sehr gute Ausgangsvoraussetzungen hat, ihre Klimaziele bis 2050 zu erreichen. Wir profitieren ganz erheblich von der Wasserkraft als dem Rückgrat unserer Stromversorgung und verfügen über grosses Potenzial für die Solarenergie. Allerdings ist die gegenwärtige Geschwindigkeit bei der Umsetzung der Massnahmen der Energiestrategie nicht annähernd ausreichend. Dort müssen wir viel schneller vorwärts machen, sonst ist das Nettonullziel des Bundes bis 2050 meines Erachtens stark gefährdet.

Über Professor Dr. Andreas Pautz

Über Prof. Dr. Andreas Pautz

Andreas Pautz ist Professor für Nuklearingenieurwesen an der ETH Lausanne und leitet den Forschungsbereich Nukleare Energie und Sicherheit am Paul Scherrer Institut (PSI), dem zentralen nuklearen Kompetenzzentrum der Schweiz mit rund 250 Mitarbeitenden. Als Institut des ETH-Bereichs ist das PSI der Energiestrategie des Bundes verpflichtet und unterstützt die Schweizer Aufsichtsbehörde mit seiner wissenschaftlichen Expertise, um einen sicheren Betrieb der KKW über 60 Jahre und ggf. darüber hinaus gewährleisten zu können. Auch für die Sicherheit von Kernbrennstoffen in der Schweiz leistet das PSI einen wichtigen Beitrag mit dem schweizweit einzigen Labor, in dem mit hochgradig radioaktiven Stoffen wie abgebrannten Brennstäben gearbeitet werden kann. Das PSI arbeitet seit Jahrzehnten mit der Nagra zusammen und ist wissenschaftlich intensiv eingebunden in die Standortsuche für das geologische Tiefenlager für radioaktive Abfälle. Damit ist das PSI der Garant dafür, dass weiterhin wissenschaftliche Nachwuchskräfte auf hohem Niveau im Nuklearbereich ausgebildet werden.   

Über Prof. Dr. Andreas Pautz

Andreas Pautz ist Professor für Nuklearingenieurwesen an der ETH Lausanne und leitet den Forschungsbereich Nukleare Energie und Sicherheit am Paul Scherrer Institut (PSI), dem zentralen nuklearen Kompetenzzentrum der Schweiz mit rund 250 Mitarbeitenden. Als Institut des ETH-Bereichs ist das PSI der Energiestrategie des Bundes verpflichtet und unterstützt die Schweizer Aufsichtsbehörde mit seiner wissenschaftlichen Expertise, um einen sicheren Betrieb der KKW über 60 Jahre und ggf. darüber hinaus gewährleisten zu können. Auch für die Sicherheit von Kernbrennstoffen in der Schweiz leistet das PSI einen wichtigen Beitrag mit dem schweizweit einzigen Labor, in dem mit hochgradig radioaktiven Stoffen wie abgebrannten Brennstäben gearbeitet werden kann. Das PSI arbeitet seit Jahrzehnten mit der Nagra zusammen und ist wissenschaftlich intensiv eingebunden in die Standortsuche für das geologische Tiefenlager für radioaktive Abfälle. Damit ist das PSI der Garant dafür, dass weiterhin wissenschaftliche Nachwuchskräfte auf hohem Niveau im Nuklearbereich ausgebildet werden.   

Was ist zu tun?

Der Zubau der Erneuerbaren geht viel zu langsam voran, und auch beim gleichzeitig notwendigen Ausbau der Übertragungs- und Verteilungsnetze hinken wir hinterher. Wir haben erheblichen Nachholbedarf bei der Gebäudesanierung, der Installation von Wärmepumpen, dem Ausbau von Ladeinfrastrukturen für die Elektromobilität bis hin zum Aufbau einer kompletten Wasserstoffinfrastruktur, die momentan allenfalls in Ansätzen existiert. Schlussendlich glaube ich aber, dass wir, auch wenn wir das Energiesystem unseren Vorstellungen entsprechend und finanzierbar realisieren, trotzdem langfristig Negativemissionstechnologien benötigen werden – der Atmosphäre also aktiv Treibhausgase entziehen müssen mit Methoden wie Carbon Capture and Storage (CCS) oder Wiederaufforstung.

Was mir Sorgen macht, ist, dass man mit der Energiestrategie gerade im Winterhalbjahr sehr stark auf Importe setzt

Schaffen wir das mit der Energiestrategie?

Ich stehe hinter der Energiestrategie des Bundes und begrüsse es, dass nun eine Reihe beschleunigter Verfahren auf den Weg gebracht wurden, Erleichterungen für den Bau grosser Solarparks zum Beispiel. Auch bei der Wasserkraft bewegt man sich. Das sind gute und wichtige Ansätze. Was mir aber Sorgen macht, ist, dass man mit der Energiestrategie gerade im Winterhalbjahr sehr stark auf Importe setzt. Da steckt für mich eine Menge Wunschdenken dahinter, denn dass unsere Nachbarländer zukünftig jederzeit in der Lage sein werden, ausreichend Strom für die Schweiz zu exportieren, sehe ich skeptisch. Ich plädiere nicht für eine vollständige Energieautarkie, aber eine Strategie, die so stark auf Importe setzt, ist aus meiner Sicht sehr risikobehaftet.

Sie haben von einer Wasserstoffinfrastruktur gesprochen. Hätten Sie diesbezüglich denn eine eigene inländische Produktion vor Augen, die ohne Importe auskommt?

Es kann beides sein. Im Moment dürfte eine Wasserstoffproduktion basierend auf Erneuerbaren in der Schweiz viel zu teuer sein, da sind Importe vermutlich sinnvoller, vorausgesetzt, dass die notwendige Infrastruktur einst vorhanden sein wird. Ich verweise aber auch auf die Diskussion in den europäischen Nachbarländern wie beispielsweise in Frankreich. Da steht nuklear produzierter Wasserstoff ganz oben auf der Agenda. Eben weil das den heimischen Markt begünstigen würde, und weil sich Wasserstoff mit Kernenergie gleichzeitig günstig und CO2-arm erzeugen lässt.

Was ist zu tun?

Der Zubau der Erneuerbaren geht viel zu langsam voran, und auch beim gleichzeitig notwendigen Ausbau der Übertragungs- und Verteilungsnetze hinken wir hinterher. Wir haben erheblichen Nachholbedarf bei der Gebäudesanierung, der Installation von Wärmepumpen, dem Ausbau von Ladeinfrastrukturen für die Elektromobilität bis hin zum Aufbau einer kompletten Wasserstoffinfrastruktur, die momentan allenfalls in Ansätzen existiert. Schlussendlich glaube ich aber, dass wir, auch wenn wir das Energiesystem unseren Vorstellungen entsprechend und finanzierbar realisieren, trotzdem langfristig Negativemissionstechnologien benötigen werden – der Atmosphäre also aktiv Treibhausgase entziehen müssen mit Methoden wie Carbon Capture and Storage (CCS) oder Wiederaufforstung.

Was mir Sorgen macht, ist, dass man mit der Energiestrategie gerade im Winterhalbjahr sehr stark auf Importe setzt

Schaffen wir das mit der Energiestrategie?

Ich stehe hinter der Energiestrategie des Bundes und begrüsse es, dass nun eine Reihe beschleunigter Verfahren auf den Weg gebracht wurden, Erleichterungen für den Bau grosser Solarparks zum Beispiel. Auch bei der Wasserkraft bewegt man sich. Das sind gute und wichtige Ansätze. Was mir aber Sorgen macht, ist, dass man mit der Energiestrategie gerade im Winterhalbjahr sehr stark auf Importe setzt. Da steckt für mich eine Menge Wunschdenken dahinter, denn dass unsere Nachbarländer zukünftig jederzeit in der Lage sein werden, ausreichend Strom für die Schweiz zu exportieren, sehe ich skeptisch. Ich plädiere nicht für eine vollständige Energieautarkie, aber eine Strategie, die so stark auf Importe setzt, ist aus meiner Sicht sehr risikobehaftet.

Sie haben von einer Wasserstoffinfrastruktur gesprochen. Hätten Sie diesbezüglich denn eine eigene inländische Produktion vor Augen, die ohne Importe auskommt?

Es kann beides sein. Im Moment dürfte eine Wasserstoffproduktion basierend auf Erneuerbaren in der Schweiz viel zu teuer sein, da sind Importe vermutlich sinnvoller, vorausgesetzt, dass die notwendige Infrastruktur einst vorhanden sein wird. Ich verweise aber auch auf die Diskussion in den europäischen Nachbarländern wie beispielsweise in Frankreich. Da steht nuklear produzierter Wasserstoff ganz oben auf der Agenda. Eben weil das den heimischen Markt begünstigen würde, und weil sich Wasserstoff mit Kernenergie gleichzeitig günstig und CO2-arm erzeugen lässt.

Foto zeigt Andreas Pautz, Professor an der ETH Lausanne und Leiter des Bereichs Nukleare Sicherheit am Paul Scherrer Institut
Angesichts des europäischen Auslands erscheint Andreas Pautz der Deutsche und Schweizer Weg des Kernenergieausstiegs mehr und mehr zum Sonderfall zu werden.

Ist die Energieknappheit, wie wir sie diesen Winter erlebt haben, auch auf allfällige Mängel der Energiestrategie des Bundesrats zurückzuführen? Wo müsste man allenfalls korrigieren?

Nun, es konnte niemand damit rechnen, dass uns die geopolitische Krise so eiskalt erwischt, das kann man schwerlich dem Bundesrat vorwerfen. Es wurden auch die richtigen Massnahmen in der Krise getroffen, so dass wir sicher durch den Winter gekommen sind. Aber man muss schon festhalten: das Thema rund um die Versorgungsengpässe ist nicht neu; die Frage stand bereits im Raum, als das Kernkraftwerk Mühleberg Ende 2019 abgeschaltet wurde. Ich halte zumindest die Frage für legitim, ob man damals nicht besser den Betreibern finanziell hätte unter die Arme greifen sollen, um die notwendigen sicherheitstechnischen Nachrüstungen für einen Weiterbetrieb der Anlage durchzuführen. Das war allerdings damals nicht mehrheitsfähig und wäre es wohl auch heute nicht. Aber die Konsequenz daraus war, dass wir im vergangenen Winter genau diese fehlenden Kapazitäten für viel Geld in Form des neuen Reservegaskraftwerks in Birr teuer einkaufen mussten.

Die KKW sind bis mindestens 2040 aus unserem Strommix nicht wegzudenken

Was braucht es nun, um Strommängel in Zukunft zu vermeiden?

Zunächst hoffe ich, dass sich die Schweiz mit ihren EU-Nachbarn auf ein Stromhandelsabkommen einigen wird. Ausserdem müssen wir dringend bei den grossen Solaranlagen vorwärts machen, gerade auch in alpinen Lagen, damit wir eine bessere Winterstromversorgung hinkriegen. Eine ganz wichtige Komponente ist der sichere Weiterbetrieb der Kernkraftwerke. Die KKW sind bis mindestens 2040 aus unserem Strommix nicht wegzudenken. Drittens muss der Ausbau der Wasserkraft und der saisonalen Speicherkapazitäten vorangetrieben werden. Das sind gleich drei grosse Baustellen, auf denen man hoffentlich technologieoffen und ideologiefrei eine gute Lösung finden wird.

Wie hoch ist eigentlich die Motivation, im Bereich der Kernenergie zu forschen, wenn man davon ausgeht, dass die Technologie in der Schweiz keine Zukunft hat? Was bedeutet das für den Nachwuchs?

Diese Frage hat mich über Jahre auch bewegt. Tatsächlich ist es so, dass mit der Einführung der Energiestrategie um 2016 das Interesse an der Kernenergie gerade bei Schweizer Studierenden massiv zurückgegangen ist. Das hat sich aber in den letzten Jahren komplett gewandelt, ich bin selbst erstaunt über diese Entwicklung. Die immer sichtbarer werdenden Konsequenzen des Klimawandels, die angespannte Lage bei der Versorgungsicherheit sowie die Abwanderung wichtiger Teile unserer Energielieferketten nach Fernost bewegen junge Menschen, und dies hat zu einer erstaunlichen Dynamik geführt.

Viele junge Menschen erkennen mittlerweile in der Kernenergie wieder eine wichtige Komponente zur Lösung des globalen Energiedilemmas

So haben sich die Studierendenzahlen unseres nuklearen Masterprogramms, das wir an den ETHs gemeinsam mit dem PSI durchführen, über die vergangenen fünf Jahre verdreifacht, und das bei einem Anteil von aktuell 40 Prozent Schweizerinnen und Schweizern. Das zeigt mir, dass bei vielen jungen Leuten ein Umdenken stattgefunden hat und mittlerweile viele in der Kernenergie wieder eine wichtige Komponente zur Lösung des globalen Energiedilemmas sehen. 

Ist die Energieknappheit, wie wir sie diesen Winter erlebt haben, auch auf allfällige Mängel der Energiestrategie des Bundesrats zurückzuführen? Wo müsste man allenfalls korrigieren?

Nun, es konnte niemand damit rechnen, dass uns die geopolitische Krise so eiskalt erwischt, das kann man schwerlich dem Bundesrat vorwerfen. Es wurden auch die richtigen Massnahmen in der Krise getroffen, so dass wir sicher durch den Winter gekommen sind. Aber man muss schon festhalten: das Thema rund um die Versorgungsengpässe ist nicht neu; die Frage stand bereits im Raum, als das Kernkraftwerk Mühleberg Ende 2019 abgeschaltet wurde. Ich halte zumindest die Frage für legitim, ob man damals nicht besser den Betreibern finanziell hätte unter die Arme greifen sollen, um die notwendigen sicherheitstechnischen Nachrüstungen für einen Weiterbetrieb der Anlage durchzuführen. Das war allerdings damals nicht mehrheitsfähig und wäre es wohl auch heute nicht. Aber die Konsequenz daraus war, dass wir im vergangenen Winter genau diese fehlenden Kapazitäten für viel Geld in Form des neuen Reservegaskraftwerks in Birr teuer einkaufen mussten.

Die KKW sind bis mindestens 2040 aus unserem Strommix nicht wegzudenken

Was braucht es nun, um Strommängel in Zukunft zu vermeiden?

Zunächst hoffe ich, dass sich die Schweiz mit ihren EU-Nachbarn auf ein Stromhandelsabkommen einigen wird. Ausserdem müssen wir dringend bei den grossen Solaranlagen vorwärts machen, gerade auch in alpinen Lagen, damit wir eine bessere Winterstromversorgung hinkriegen. Eine ganz wichtige Komponente ist der sichere Weiterbetrieb der Kernkraftwerke. Die KKW sind bis mindestens 2040 aus unserem Strommix nicht wegzudenken. Drittens muss der Ausbau der Wasserkraft und der saisonalen Speicherkapazitäten vorangetrieben werden. Das sind gleich drei grosse Baustellen, auf denen man hoffentlich technologieoffen und ideologiefrei eine gute Lösung finden wird.

Wie hoch ist eigentlich die Motivation, im Bereich der Kernenergie zu forschen, wenn man davon ausgeht, dass die Technologie in der Schweiz keine Zukunft hat? Was bedeutet das für den Nachwuchs?

Diese Frage hat mich über Jahre auch bewegt. Tatsächlich ist es so, dass mit der Einführung der Energiestrategie um 2016 das Interesse an der Kernenergie gerade bei Schweizer Studierenden massiv zurückgegangen ist. Das hat sich aber in den letzten Jahren komplett gewandelt, ich bin selbst erstaunt über diese Entwicklung. Die immer sichtbarer werdenden Konsequenzen des Klimawandels, die angespannte Lage bei der Versorgungsicherheit sowie die Abwanderung wichtiger Teile unserer Energielieferketten nach Fernost bewegen junge Menschen, und dies hat zu einer erstaunlichen Dynamik geführt.

Viele junge Menschen erkennen mittlerweile in der Kernenergie wieder eine wichtige Komponente zur Lösung des globalen Energiedilemmas

So haben sich die Studierendenzahlen unseres nuklearen Masterprogramms, das wir an den ETHs gemeinsam mit dem PSI durchführen, über die vergangenen fünf Jahre verdreifacht, und das bei einem Anteil von aktuell 40 Prozent Schweizerinnen und Schweizern. Das zeigt mir, dass bei vielen jungen Leuten ein Umdenken stattgefunden hat und mittlerweile viele in der Kernenergie wieder eine wichtige Komponente zur Lösung des globalen Energiedilemmas sehen. 

Kernkraft und Nachhaltigkeit: Impulsvortrag von Andreas Pautz

Einige Länder bauen nun wieder moderne Kernkraftwerke. Findet international gerade ein Umdenken statt?

Auch da reicht mittlerweile ein Blick aufs europäische Ausland. In Frankreich sagte man vor ein paar Jahren noch, man möchte den Anteil der Kernenergie an der Stromversorgung auf 50 Prozent drücken - von aktuell etwa 75 Prozent. Jetzt spricht Emmanuel Macron von «Relance du nucléaire» und möchte gleich mehrere moderne grosse Reaktoren bauen. Von der Électricité de France (EdF) hören wir, dass man den kleinen Reaktortypen NUWARD bauen wird, an deren Sicherheitstechnologie das PSI als Forschungsinstitut sogar mitarbeiten wird. Auch Grossbritannien hat angekündigt, dass man stark in die Technologie kleinerer Reaktoren investieren will, und treibt gleichzeitig den Bau grosser Reaktoren voran. Ähnliches gilt für Schweden, die Niederlande, Polen und fast alle osteuropäischen Staaten, die heute schon Kernkraftwerke betreiben. In Finnland hat man gerade, wenn auch mit erheblichen Verzögerungen, das grösste europäische Kernkraftwerk ans Netz genommen. Dieses läuft nun im Vollastbetrieb und liefert 1600 Megawatt Strom rund um die Uhr. Angesichts dessen erscheinen mir der Deutsche und Schweizer Weg des Kernenergieausstiegs mehr und mehr zum Sonderfall zu werden. Wenn sie nach Asien oder in die USA schauen, werden Sie feststellen, dass der Weg noch schneller in Richtung Kernkraft geht.

Es gilt jetzt und heute, in die nukleare Ausbildung und Forschung an bestehenden und neuen Reaktoren zu investieren

Was würden Sie hierzulande empfehlen? 

Wenn die Umsetzung der Energiestrategie nicht ausreichend vorangeht, wird man nicht umhinkommen, über KKW-Neubauten oder zumindest den Langzeitbetrieb unserer existierenden KKW bis weit über 2050 hinaus nachzudenken. Dazu darf man aber nicht noch einmal 10 Jahre zuwarten. Es gilt jetzt und heute, in die nukleare Ausbildung und Forschung an bestehenden und neuen Reaktoren zu investieren, ebenso in exzellente Forschungsinfrastrukturen und in ein effizientes Genehmigungssystem. Nur dann könnte man rechtzeitig in Erfahrung bringen, welche neuen Reaktoren allenfalls auch für die Energieversorgung der Schweiz eine Lösung sein können. Eine Inbetriebnahme solcher Reaktoren ab 2035 halte ich nicht für unrealistisch. Aber selbst für den Langzeitbetrieb unserer bestehenden Anlagen ist die Ausbildung qualifizierten Personal eine kritische Grundvoraussetzung, wenn nicht sogar die kritischste.

Was können denn moderne AKW effektiv leisten?

Kernkraftwerke, die heute gebaut werden, basieren im Prinzip auf der gleichen Technologie wie jene, die wir bereits in der Schweiz betreiben. Dies sind Leichtwasserreaktoren, die hinsichtlich ihrer Sicherheit extrem hohen Standards genügen, die sogenannte Generation Drei. Das KKW, das kürzlich in Finnland ans Netz ging, gehört zu dieser neuesten Generation. Wenn wir 20 Jahre in die Zukunft blicken, sind wir bei der nächsten Reaktorgeneration, der Vierten Generation. Diese KKW werden mit höheren Temperaturen arbeiten und dadurch ganz neue Einsatzgebiete erschliessen, zum Beispiel im Bereich der Prozesswärmeerzeugung für eine CO2-freie Stahl- und Zementproduktion. Insbesondere für solche schwer dekarbonisierbaren Industriesektoren hat die Kernenergie eine ganze Menge guter Antworten parat. Auch in der nuklearen Erzeugung von Wasserstoff und Synthesebrennstoffen verorte ich enormes Potenzial, das wir mit unseren heutigen Anlagen nicht ausschöpfen können.

Im zweiten Teil des Interviews mit Andreas Pautz erfahren Sie unter anderem, wie sicher moderne Kernkraft ist und ob man nukleare Brennstoffe irgendwann so nutzen kann, dass sie am Schluss nicht mehr gefährlich sind.

Einige Länder bauen nun wieder moderne Kernkraftwerke. Findet international gerade ein Umdenken statt?

Auch da reicht mittlerweile ein Blick aufs europäische Ausland. In Frankreich sagte man vor ein paar Jahren noch, man möchte den Anteil der Kernenergie an der Stromversorgung auf 50 Prozent drücken - von aktuell etwa 75 Prozent. Jetzt spricht Emmanuel Macron von «Relance du nucléaire» und möchte gleich mehrere moderne grosse Reaktoren bauen. Von der Électricité de France (EdF) hören wir, dass man den kleinen Reaktortypen NUWARD bauen wird, an deren Sicherheitstechnologie das PSI als Forschungsinstitut sogar mitarbeiten wird. Auch Grossbritannien hat angekündigt, dass man stark in die Technologie kleinerer Reaktoren investieren will, und treibt gleichzeitig den Bau grosser Reaktoren voran. Ähnliches gilt für Schweden, die Niederlande, Polen und fast alle osteuropäischen Staaten, die heute schon Kernkraftwerke betreiben. In Finnland hat man gerade, wenn auch mit erheblichen Verzögerungen, das grösste europäische Kernkraftwerk ans Netz genommen. Dieses läuft nun im Vollastbetrieb und liefert 1600 Megawatt Strom rund um die Uhr. Angesichts dessen erscheinen mir der Deutsche und Schweizer Weg des Kernenergieausstiegs mehr und mehr zum Sonderfall zu werden. Wenn sie nach Asien oder in die USA schauen, werden Sie feststellen, dass der Weg noch schneller in Richtung Kernkraft geht.

Es gilt jetzt und heute, in die nukleare Ausbildung und Forschung an bestehenden und neuen Reaktoren zu investieren

Was würden Sie hierzulande empfehlen? 

Wenn die Umsetzung der Energiestrategie nicht ausreichend vorangeht, wird man nicht umhinkommen, über KKW-Neubauten oder zumindest den Langzeitbetrieb unserer existierenden KKW bis weit über 2050 hinaus nachzudenken. Dazu darf man aber nicht noch einmal 10 Jahre zuwarten. Es gilt jetzt und heute, in die nukleare Ausbildung und Forschung an bestehenden und neuen Reaktoren zu investieren, ebenso in exzellente Forschungsinfrastrukturen und in ein effizientes Genehmigungssystem. Nur dann könnte man rechtzeitig in Erfahrung bringen, welche neuen Reaktoren allenfalls auch für die Energieversorgung der Schweiz eine Lösung sein können. Eine Inbetriebnahme solcher Reaktoren ab 2035 halte ich nicht für unrealistisch. Aber selbst für den Langzeitbetrieb unserer bestehenden Anlagen ist die Ausbildung qualifizierten Personal eine kritische Grundvoraussetzung, wenn nicht sogar die kritischste.

Was können denn moderne AKW effektiv leisten?

Kernkraftwerke, die heute gebaut werden, basieren im Prinzip auf der gleichen Technologie wie jene, die wir bereits in der Schweiz betreiben. Dies sind Leichtwasserreaktoren, die hinsichtlich ihrer Sicherheit extrem hohen Standards genügen, die sogenannte Generation Drei. Das KKW, das kürzlich in Finnland ans Netz ging, gehört zu dieser neuesten Generation. Wenn wir 20 Jahre in die Zukunft blicken, sind wir bei der nächsten Reaktorgeneration, der Vierten Generation. Diese KKW werden mit höheren Temperaturen arbeiten und dadurch ganz neue Einsatzgebiete erschliessen, zum Beispiel im Bereich der Prozesswärmeerzeugung für eine CO2-freie Stahl- und Zementproduktion. Insbesondere für solche schwer dekarbonisierbaren Industriesektoren hat die Kernenergie eine ganze Menge guter Antworten parat. Auch in der nuklearen Erzeugung von Wasserstoff und Synthesebrennstoffen verorte ich enormes Potenzial, das wir mit unseren heutigen Anlagen nicht ausschöpfen können.

Im zweiten Teil des Interviews mit Andreas Pautz erfahren Sie unter anderem, wie sicher moderne Kernkraft ist und ob man nukleare Brennstoffe irgendwann so nutzen kann, dass sie am Schluss nicht mehr gefährlich sind.

Zum zweiten Teil