«Wir kommen nicht voran, solange die Diskussion politisch beherrscht wird» (1/2)

Dr. Isabelle Stadelmann ist Professorin für Vergleichende Politik am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Bern. Im Interview gibt sie einen Überblick über die Stimmungslage in der Schweizer Bevölkerung in Bezug auf die Energiezukunft.

Irene M. Wrabel
19. März 2023
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Foto: zVg - R. Ruis - Prof. Dr. Isabelle Stadelmann ist Professorin für Vergleichende Politik am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Bern.

Über Prof. Dr. Isabelle Stadelmann-Steffen

Isabelle Stadelmann-Steffen ist Professorin für Vergleichende Politik am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern. Ihre Forschungsinteressen liegen in den Bereichen der öffentlichen Politik, der direkten Demokratie sowie der politischen Verhaltens- und Einstellungsforschung. In ihren Forschungsprojekten bearbeitet sie unter anderem die Schnittstellen zwischen diesen Schwerpunkten. So untersucht sie beispielsweise, wie Politikinhalte zum Beispiel in der Energiepolitik die politischen Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger beeinflussen.

Isabelle Stadelmann-Steffen ist Professorin für Vergleichende Politik am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern. Ihre Forschungsinteressen liegen in den Bereichen der öffentlichen Politik, der direkten Demokratie sowie der politischen Verhaltens- und Einstellungsforschung. In ihren Forschungsprojekten bearbeitet sie unter anderem die Schnittstellen zwischen diesen Schwerpunkten. So untersucht sie beispielsweise, wie Politikinhalte zum Beispiel in der Energiepolitik die politischen Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger beeinflussen.

Frau Stadelmann, als Akzeptanzforscherin befassen Sie sich damit, wie Massnahmen für eine nachhaltige Energiezukunft von der Bevölkerung angenommen werden. Wie erhalten Sie einen zuverlässigen Stimmungsbarometer?

Wir führen vor allem Umfragen durch, die zum Ziel haben, die Heterogenität der Bevölkerung widerzuspiegeln. Die Zuverlässigkeit ist die grosse Herausforderung. Wie stellt man die richtigen Fragen, damit die Befragten wahrheitsgemäss antworten? Man muss sich dessen bewusst sein, dass ein Befragungskontext immer etwas anderes ist als die reale Welt. Unsere Aufgabe ist es also, aus den Daten die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Wie repräsentativ ist diese Datenbasis?

Sie ist so repräsentativ, wie sie es eben sein kann. Wir haben ein relativ grosses und breites Sample
– oft mehrere Tausend Befragte aus allen Bevölkerungsgruppen – mit hohen Rücklaufquoten. Eine gute Rücklaufquote liegt bei knapp 40 Prozent. Tendenziell sind untere Einkommens- und Bildungsschichten eher unterrepräsentiert, und generell nehmen häufiger die Personengruppen teil, die am Thema interessiert sind. Diese Abweichungen müssen wir berücksichtigen.

Die Frage nach Akzeptanz ist komplex, es geht weit darüber hinaus, ob Menschen eine Technologie gut oder schlecht finden

Es scheint in der Bevölkerung eine grosse Akzeptanz gegenüber erneuerbaren, einheimischen Energien zu geben. Ist damit der Weg in die Energiezukunft frei?

Das wäre zu hoch gegriffen. Die positive Einstellung der Bevölkerung gegenüber den erneuerbaren Energien gibt es seit Jahren. Doch der Ausbau geht dennoch nicht so schnell voran, wie man aufgrund dieser Ergebnisse meinen könnte. Zum einen hat das regulatorische Gründe, welche den Prozess verlangsamen. Zum anderen kommt aber auch Widerstand aus der Bevölkerung, wie etwa in Form von Einsprachen. Und das ist ja dieselbe Bevölkerung, die den Technologien eigentlich positiv gegenübersteht. In der Realität werden dann eben andere Faktoren höher gewichtet, beispielsweise der Landschaftsschutz bei einem Windradprojekt. Deshalb ist die Frage nach Akzeptanz komplex, es geht weit darüber hinaus, ob Menschen eine Technologie gut oder schlecht finden.

Wie beurteilen Sie grundsätzlich den Fortschritt der Schweiz in Richtung erneuerbare Energiezukunft?

Ich bin zwar in grosse Energieprojekte eingebunden, in denen ich mich auf die gesellschaftlichen und politischen Aspekte konzentriere, bin aber keine Energiesystemexpertin. Deshalb muss ich mich hier auf die Befunde meiner Kolleg:innen berufen, die sich genauer mit diesen Aspekten auseinandersetzen: Natürlich gibt es eine Dynamik in Richtung mehr erneuerbarer Energie. Vor allem die einheimische Energieproduktion hat stark an Rückhalt gewonnen. Solaranlagen auf Eigenheimen etwa boomen. Es geht voran, aber eben nicht so schnell, wie es müsste. Als Politologin schliesse ich daraus, dass es deshalb weitergehende politische Massnahmen braucht. Dazu gehört, absurde Anreize zu verhindern. Wenn auf kürzeren Strecken Flüge viel billiger sind als eine Reise mit dem Zug, folgt daraus eine Steuerung des Verhaltens in die falsche Richtung. Ein weiteres Beispiel sind die CO2-Abgaben. Diese könnte man relativ hoch veranlagen und dann die Einnahmen daraus gezielt rückverteilen. Einen Teil der Steuereinnahmen könnte man beispielsweise für eine Umverteilung an die Landbevölkerung nutzen, die auf das Auto meist mehr angewiesen ist als die Stadtbewohner:innen. Natürlich wäre aber die Einführung einer solchen Umverteilung eine politische Herausforderung.

Frau Stadelmann, als Akzeptanzforscherin befassen Sie sich damit, wie Massnahmen für eine nachhaltige Energiezukunft von der Bevölkerung angenommen werden. Wie erhalten Sie einen zuverlässigen Stimmungsbarometer?

Wir führen vor allem Umfragen durch, die zum Ziel haben, die Heterogenität der Bevölkerung widerzuspiegeln. Die Zuverlässigkeit ist die grosse Herausforderung. Wie stellt man die richtigen Fragen, damit die Befragten wahrheitsgemäss antworten? Man muss sich dessen bewusst sein, dass ein Befragungskontext immer etwas anderes ist als die reale Welt. Unsere Aufgabe ist es also, aus den Daten die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Wie repräsentativ ist diese Datenbasis?

Sie ist so repräsentativ, wie sie es eben sein kann. Wir haben ein relativ grosses und breites Sample
– oft mehrere Tausend Befragte aus allen Bevölkerungsgruppen – mit hohen Rücklaufquoten. Eine gute Rücklaufquote liegt bei knapp 40 Prozent. Tendenziell sind untere Einkommens- und Bildungsschichten eher unterrepräsentiert, und generell nehmen häufiger die Personengruppen teil, die am Thema interessiert sind. Diese Abweichungen müssen wir berücksichtigen.

Die Frage nach Akzeptanz ist komplex, es geht weit darüber hinaus, ob Menschen eine Technologie gut oder schlecht finden

Es scheint in der Bevölkerung eine grosse Akzeptanz gegenüber erneuerbaren, einheimischen Energien zu geben. Ist damit der Weg in die Energiezukunft frei?

Das wäre zu hoch gegriffen. Die positive Einstellung der Bevölkerung gegenüber den erneuerbaren Energien gibt es seit Jahren. Doch der Ausbau geht dennoch nicht so schnell voran, wie man aufgrund dieser Ergebnisse meinen könnte. Zum einen hat das regulatorische Gründe, welche den Prozess verlangsamen. Zum anderen kommt aber auch Widerstand aus der Bevölkerung, wie etwa in Form von Einsprachen. Und das ist ja dieselbe Bevölkerung, die den Technologien eigentlich positiv gegenübersteht. In der Realität werden dann eben andere Faktoren höher gewichtet, beispielsweise der Landschaftsschutz bei einem Windradprojekt. Deshalb ist die Frage nach Akzeptanz komplex, es geht weit darüber hinaus, ob Menschen eine Technologie gut oder schlecht finden.

Wie beurteilen Sie grundsätzlich den Fortschritt der Schweiz in Richtung erneuerbare Energiezukunft?

Ich bin zwar in grosse Energieprojekte eingebunden, in denen ich mich auf die gesellschaftlichen und politischen Aspekte konzentriere, bin aber keine Energiesystemexpertin. Deshalb muss ich mich hier auf die Befunde meiner Kolleg:innen berufen, die sich genauer mit diesen Aspekten auseinandersetzen: Natürlich gibt es eine Dynamik in Richtung mehr erneuerbarer Energie. Vor allem die einheimische Energieproduktion hat stark an Rückhalt gewonnen. Solaranlagen auf Eigenheimen etwa boomen. Es geht voran, aber eben nicht so schnell, wie es müsste. Als Politologin schliesse ich daraus, dass es deshalb weitergehende politische Massnahmen braucht. Dazu gehört, absurde Anreize zu verhindern. Wenn auf kürzeren Strecken Flüge viel billiger sind als eine Reise mit dem Zug, folgt daraus eine Steuerung des Verhaltens in die falsche Richtung. Ein weiteres Beispiel sind die CO2-Abgaben. Diese könnte man relativ hoch veranlagen und dann die Einnahmen daraus gezielt rückverteilen. Einen Teil der Steuereinnahmen könnte man beispielsweise für eine Umverteilung an die Landbevölkerung nutzen, die auf das Auto meist mehr angewiesen ist als die Stadtbewohner:innen. Natürlich wäre aber die Einführung einer solchen Umverteilung eine politische Herausforderung.

Zum zweiten Teil des Interviews