«Die Elektrifizierung der Energieversorgung führt dazu, dass die Schweiz weniger Energie verbraucht» (2/2)

Im zweiten Teil unseres Gesprächs mit Tobias Keel spricht er über die Effizienz einer elektrifizierten Energieversorgung und über das Potenzial intelligent vernetzter Energiesysteme. Zudem erklärt der Leiter des EKZ-Innovationsmanagements, wieso die Wasserstoffproduktion in der Schweiz nur bedingt Sinn ergibt.

Irene M. Wrabel
19. März 2023
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Foto: EKZ - Tobias Keel, Leiter New Business bei EKZ
Zum ersten Teil des Interviews

Ist die energietechnische Unabhängigkeit der Schweiz realistisch?

Eine komplett energietechnische Unabhängigkeit der Schweiz wäre möglich, aber auch sehr teuer. Es gilt somit, die richtige Balance zwischen Stromerzeugung im Inland sowie Energieimporten in Form von Strom und zukünftig auch Wasserstoff zu finden. Die grosse Menge an zusätzlicher Stromerzeugung in den nächsten Jahrzehnten wird durch die dezentrale Solarstromerzeugung auf den Dächern erfolgen. Idealerweise wird der Erzeugungspark ergänzt durch Anlagen mit einer hohen Winterproduktion, wie zum Beispiel Windkraftanlagen. Die Photovoltaik wird so oder so zu einem wichtigen Pfeiler der schweizerischen Stromversorgung. Eine Voraussetzung dafür ist, dass die Stromnetze und die Verbraucher intelligenter werden. Der Stromverbrauch muss zeitlich flexibel sein, also auf Phasen verschoben werden, in denen viel Strom erzeugt wird. Wegen des akuten Fachkräftemangel begegnen wir einer grossen Herausforderung darin, den Ausbau der Photovoltaik und der Verteilnetze zu stemmen. Darum ist es wichtig, intelligente Ansätze wie netzdienliche Eigenverbrauchsförderung oder Verbrauchssteuerung so einzusetzen, dass damit das Stromnetz möglichst entlastet werden kann und dadurch weniger Investitionen notwendig werden.

Die Elektrifizierung hilft uns dabei, die Abhängigkeit der Schweiz von Primärenergieimporten, also vor allem von fossilen Energieträgern, zu reduzieren

In der Industrie werden wir auch zukünftig auf einen gasförmigen Energieträger wie Erdgas oder Wasserstoff angewiesen sein. Diese werden zwar ebenfalls importiert, können uns aber in Kombination mit klimaneutral betriebenen Gaskombikraftwerken helfen, die saisonalen Stromproduktionsschwankungen auszugleichen und die Abhängigkeit von Stromimporten im Winter zu reduzieren. Auch solange die Schweiz noch nicht an eine europäische Infrastruktur zum Transport von grünem Wasserstoff angeschlossen ist, können solche Kraftwerke klimaneutral betrieben werden. Dies entweder durch die Verwendung von Biogas oder klimaneutral hergestelltem Methan oder durch den Einsatz von Technologien zur Kohlenstoffabscheidung.

Insgesamt hilft uns die Elektrifizierung, die Abhängigkeit der Schweiz von Primärenergieimporten, also vor allem von fossilen Energieträgern, zu reduzieren. Dadurch können wir die Primärenergieimporte bis 2050 um den Faktor 4 bis 5 reduzieren. Denn E-Autos sind 2- bis 3-mal effizienter, bei der Wärmeerzeugung ist dieser Wert noch höher. Unterm Strich braucht man also weniger Energie für das gesamte Energiesystem der Schweiz.

Ist die energietechnische Unabhängigkeit der Schweiz realistisch?

Eine komplett energietechnische Unabhängigkeit der Schweiz wäre möglich, aber auch sehr teuer. Es gilt somit, die richtige Balance zwischen Stromerzeugung im Inland sowie Energieimporten in Form von Strom und zukünftig auch Wasserstoff zu finden. Die grosse Menge an zusätzlicher Stromerzeugung in den nächsten Jahrzehnten wird durch die dezentrale Solarstromerzeugung auf den Dächern erfolgen. Idealerweise wird der Erzeugungspark ergänzt durch Anlagen mit einer hohen Winterproduktion, wie zum Beispiel Windkraftanlagen. Die Photovoltaik wird so oder so zu einem wichtigen Pfeiler der schweizerischen Stromversorgung. Eine Voraussetzung dafür ist, dass die Stromnetze und die Verbraucher intelligenter werden. Der Stromverbrauch muss zeitlich flexibel sein, also auf Phasen verschoben werden, in denen viel Strom erzeugt wird. Wegen des akuten Fachkräftemangel begegnen wir einer grossen Herausforderung darin, den Ausbau der Photovoltaik und der Verteilnetze zu stemmen. Darum ist es wichtig, intelligente Ansätze wie netzdienliche Eigenverbrauchsförderung oder Verbrauchssteuerung so einzusetzen, dass damit das Stromnetz möglichst entlastet werden kann und dadurch weniger Investitionen notwendig werden.

Die Elektrifizierung hilft uns dabei, die Abhängigkeit der Schweiz von Primärenergieimporten, also vor allem von fossilen Energieträgern, zu reduzieren

In der Industrie werden wir auch zukünftig auf einen gasförmigen Energieträger wie Erdgas oder Wasserstoff angewiesen sein. Diese werden zwar ebenfalls importiert, können uns aber in Kombination mit klimaneutral betriebenen Gaskombikraftwerken helfen, die saisonalen Stromproduktionsschwankungen auszugleichen und die Abhängigkeit von Stromimporten im Winter zu reduzieren. Auch solange die Schweiz noch nicht an eine europäische Infrastruktur zum Transport von grünem Wasserstoff angeschlossen ist, können solche Kraftwerke klimaneutral betrieben werden. Dies entweder durch die Verwendung von Biogas oder klimaneutral hergestelltem Methan oder durch den Einsatz von Technologien zur Kohlenstoffabscheidung.

Insgesamt hilft uns die Elektrifizierung, die Abhängigkeit der Schweiz von Primärenergieimporten, also vor allem von fossilen Energieträgern, zu reduzieren. Dadurch können wir die Primärenergieimporte bis 2050 um den Faktor 4 bis 5 reduzieren. Denn E-Autos sind 2- bis 3-mal effizienter, bei der Wärmeerzeugung ist dieser Wert noch höher. Unterm Strich braucht man also weniger Energie für das gesamte Energiesystem der Schweiz.

Die Gestaltung der Energiezukunft ist eng mit neuen technologischen Entwicklungen verknüpft. Wie stark engagiert sich EKZ in diesem Bereich?

EKZ unterstützt viele Projekte im studentischen Bereich, wie Carbon Capture and Storage, E-Flugzeugbau oder auch die Entwicklung von E-Rennfahrzeugen. Dadurch unterstützen wir zum einen Bereiche, bei denen in den nächsten Jahren viel geschehen wird und die uns auch in der Praxis helfen. Zum anderen leisten wir dadurch einen wichtigen Beitrag, um junge Menschen für die Energiebranche zu begeistern und begegnen so dem Fachkräftemangel.

Als «Reallabor» testen wir zudem technologische Entwicklungen unter realen Bedingungen. Dazu gehört unter anderem das Thema Smart Grid (Intelligentes Versorgungsnetz) oder Data Science im Zusammenhang mit der Defossilisierung des Gebäudesektors. Im grossangelegten Pilotprojekt «OrtsNetz» in der Gemeinde Winkel testen wir aktuell die verschiedenen Ansätze des Smart Grids. Das Ziel dieses Projektes ist es, herauszufinden, wie Solarstrom optimal lokal verbraucht werden kann. Wir können hier den Nutzen und das Kundenverhalten unter realen Bedingungen untersuchen. Dazu gehören zum Beispiel die direkte Lastensteuerung, unterschiedliche Tarife und ein lokaler Solarenergiemarkt. In der E-Mobilität nutzen wir dabei neue Ansätze, indem wir direkt die bestehenden technischen Schnittstellen der Autos verwenden. Daten sind ein wichtiger Enabler für Innovation, doch das birgt auch gewisse Widerstände. Der Datenschutz wird in der Stromversorgung zu recht sehr hoch gewichtet, verunmöglicht dadurch teilweise aber innovative Ansätze. Hier müssen wir den richtigen Mittelweg finden.

Im Schweizer Gebäudepark wird mitunter das grösste energetische Optimierungspotenzial verortet. Wie weit sind wir hier, welche Fortschritte sind hier in den nächsten Jahren zu erwarten?

Neubauten werden heute bereits nach energetisch optimalen Grundsätzen gebaut. Im Bestandsbau gestaltet sich dies schwieriger. Bei bestehenden Gebäuden realisiert man Photovoltaikanlagen meist erst dann, wenn das Dach erneuert werden muss, also nach ca. 30 Jahren. Auch beim Ersatz von fossilen Heizungen mit Wärmepumpen werden wir in den nächsten Jahren noch einiges zulegen müssen. Positiv stimmt mich, dass die Lösungen hierfür inzwischen vorhanden oder in Entwicklung sind, so dass bald jede Heizung 1:1 durch eine Wärmepumpe ersetzt werden kann, ohne hohe Folgeinvestitionen auszulösen. Durch datengestützte Verfahren können heute auch grosse Immobilienportfolios analysiert werden, um eine optimierte Sanierungsstrategie zu definieren.

Lokale Energiegemeinschaften entfalten ihr volles Potenzial dann, wenn Verbraucher wie Wärmepumpen oder Elektroautos  dann Strom beziehen, wenn lokal ein Überfluss vorhanden ist

Die grosse Herausforderung liegt darin, alle Technologien miteinander zu verbinden und keine isolierten Lösungen zu verbauen. Der lokale Verbrauch von lokal erzeugter Energie, das heisst zum Beispiel von der eigenen Photovoltaikanlage auf dem Dach, wird durch die Politik stark gefördert. Dazu wird das bestehende Modell des Zusammenschlusses zum Eigenverbrauch (ZEV) voraussichtlich ab 2025 durch die weitergefasste lokale Energiegemeinschaft (LEG) ergänzt. Diese entfalten ihr volles Potential dann, wenn Verbraucher wie Wärmepumpen oder Elektroautos dann Strom beziehen, wenn lokal ein Überfluss an Strom vorhanden ist. Dies benötigt intelligente Systeme, welche die einzelnen Lösungen miteinander verbinden. Damit kann ein wertvoller Beitrag im Sinne der Energiewende geleistet werden.

Die Gestaltung der Energiezukunft ist eng mit neuen technologischen Entwicklungen verknüpft. Wie stark engagiert sich EKZ in diesem Bereich?

EKZ unterstützt viele Projekte im studentischen Bereich, wie Carbon Capture and Storage, E-Flugzeugbau oder auch die Entwicklung von E-Rennfahrzeugen. Dadurch unterstützen wir zum einen Bereiche, bei denen in den nächsten Jahren viel geschehen wird und die uns auch in der Praxis helfen. Zum anderen leisten wir dadurch einen wichtigen Beitrag, um junge Menschen für die Energiebranche zu begeistern und begegnen so dem Fachkräftemangel.

Als «Reallabor» testen wir zudem technologische Entwicklungen unter realen Bedingungen. Dazu gehört unter anderem das Thema Smart Grid (Intelligentes Versorgungsnetz) oder Data Science im Zusammenhang mit der Defossilisierung des Gebäudesektors. Im grossangelegten Pilotprojekt «OrtsNetz» in der Gemeinde Winkel testen wir aktuell die verschiedenen Ansätze des Smart Grids. Das Ziel dieses Projektes ist es, herauszufinden, wie Solarstrom optimal lokal verbraucht werden kann. Wir können hier den Nutzen und das Kundenverhalten unter realen Bedingungen untersuchen. Dazu gehören zum Beispiel die direkte Lastensteuerung, unterschiedliche Tarife und ein lokaler Solarenergiemarkt. In der E-Mobilität nutzen wir dabei neue Ansätze, indem wir direkt die bestehenden technischen Schnittstellen der Autos verwenden. Daten sind ein wichtiger Enabler für Innovation, doch das birgt auch gewisse Widerstände. Der Datenschutz wird in der Stromversorgung zu recht sehr hoch gewichtet, verunmöglicht dadurch teilweise aber innovative Ansätze. Hier müssen wir den richtigen Mittelweg finden.

Im Schweizer Gebäudepark wird mitunter das grösste energetische Optimierungspotenzial verortet. Wie weit sind wir hier, welche Fortschritte sind hier in den nächsten Jahren zu erwarten?

Neubauten werden heute bereits nach energetisch optimalen Grundsätzen gebaut. Im Bestandsbau gestaltet sich dies schwieriger. Bei bestehenden Gebäuden realisiert man Photovoltaikanlagen meist erst dann, wenn das Dach erneuert werden muss, also nach ca. 30 Jahren. Auch beim Ersatz von fossilen Heizungen mit Wärmepumpen werden wir in den nächsten Jahren noch einiges zulegen müssen. Positiv stimmt mich, dass die Lösungen hierfür inzwischen vorhanden oder in Entwicklung sind, so dass bald jede Heizung 1:1 durch eine Wärmepumpe ersetzt werden kann, ohne hohe Folgeinvestitionen auszulösen. Durch datengestützte Verfahren können heute auch grosse Immobilienportfolios analysiert werden, um eine optimierte Sanierungsstrategie zu definieren.

Lokale Energiegemeinschaften entfalten ihr volles Potenzial dann, wenn Verbraucher wie Wärmepumpen oder Elektroautos  dann Strom beziehen, wenn lokal ein Überfluss vorhanden ist

Die grosse Herausforderung liegt darin, alle Technologien miteinander zu verbinden und keine isolierten Lösungen zu verbauen. Der lokale Verbrauch von lokal erzeugter Energie, das heisst zum Beispiel von der eigenen Photovoltaikanlage auf dem Dach, wird durch die Politik stark gefördert. Dazu wird das bestehende Modell des Zusammenschlusses zum Eigenverbrauch (ZEV) voraussichtlich ab 2025 durch die weitergefasste lokale Energiegemeinschaft (LEG) ergänzt. Diese entfalten ihr volles Potential dann, wenn Verbraucher wie Wärmepumpen oder Elektroautos dann Strom beziehen, wenn lokal ein Überfluss an Strom vorhanden ist. Dies benötigt intelligente Systeme, welche die einzelnen Lösungen miteinander verbinden. Damit kann ein wertvoller Beitrag im Sinne der Energiewende geleistet werden.

Foto zeigt Tobias Keel, Leiter New Business bei EKZ
«Ein sogenanntes "Recht auf Laden" würde dabei helfen, auch Mieterinnen und Mietern E-Autos zu ermöglichen.» - Tobias Keel, Leiter New Business bei EKZ

Wir holt man die Immobilienbesitzerinnen und -besitzer ins Boot?

Es gibt als Instrument entweder Anreiz oder Zwang – bei uns in der Schweiz ist das Prinzip Anreiz vorherrschend, was allgemein gut funktioniert. Bei der Elektromobilität ist dies kritisch. Mieterinnen und Mieter sind darauf angewiesen, dass die Hauseigentümerschaft eine Ladeinfrastruktur zur Verfügung stellt. Da sich diese nicht nur basierend von ökonomischen – sondern häufig auch aus ideologischen – Gründen entscheiden, wäre hier ein sogenanntes «Recht auf Laden» hilfreich, um auch Mietern E-Autos zu ermöglichen.

Welche sind für Sie aktuell die vielversprechendsten Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien in der Schweiz?

Vielversprechend ist für mich etwa die erste Alpenstromtestanlage in Davos, ein Projekt der ZHAW, an welchem auch EKZ beteiligt ist. Diese liefert seit 2017 Resultate und ist damit ein wichtiger Wegbereiter für die geplanten alpinen Solaranlagen. Windenergieprojekte könnten ebenfalls sehr wichtig für die Schweiz werden, sind aber wegen der sogenannten NIMBY-Mentalität (Not in my backyard = nicht in meinem Hinterhof) heute in der Schweiz nicht umsetzbar.

Unser Solarstromüberschuss im Sommer reicht nicht aus, um wirtschaftlich Wasserstoff in grossen Mengen zu produzieren

Ein aktuell populäres Thema ist Wasserstoff. Doch das wird nicht die Technologie sein, die uns in der Schweiz in den nächsten 15 Jahren bereits massgeblich hilft. Der Überschuss aus Solarenergie, den wir dann voraussichtlich stundenweise im Sommer haben werden, reicht nicht aus, auf annähernd wirtschaftliche Weise Wasserstoff in grossen Mengen zu produzieren. Wasserstoff kann aber durchaus einen Beitrag leisten. Es wird an geeigneten Standorten in Europa Anlagen geben, von denen auch die Schweiz mittelfristig profitieren kann. Bei uns im Inland wird die Wasserstoffproduktion allenfalls in Nischenbereichen eine Rolle spielen, im Sinne der Förderung des Unabhängigkeitsgedankens.

Generell ist eine Optimierung aller zur Verfügung stehenden Technologien vielversprechend, sie müssen alle Hand in Hand gehen. Eine grosse Rolle spielt dabei die Digitalisierung, also die Steuerung, etwa der E-Mobilität oder der Wärme. Dazu sind unterschiedliche Massnahmen nötig. Ein Beispiel ist die Steuerung von Elektroboilern. Sie sollte zukünftig anders als bisher gehandhabt werden. Noch sind Elektroboiler vielerorts nachts im Einsatz, also wenn der Strom historisch günstig war. Zukünftig macht es mehr Sinn, diese tageszeitunabhängig dann heizen zu lassen, wenn ein Überschuss an Strom verfügbar ist. Das kann mit dynamischen Tarifen gefördert werden: Kunden geben uns diese Steuerungsmöglichkeiten und profitieren im Gegenzug von einem günstigeren Tarif. Das erfordert Flexibilität auf allen Seiten.

Zum Abschluss noch ein paar persönliche Gedanken zur Frage «Die Energiewende bedeutet für mich…?»

…ein sehr präsentes Thema über meine ganze berufliche Laufbahn hinweg. Und das wird auch so bleiben. Es motiviert mich jeden Tag aufs Neue, an so einem relevanten Thema mitzuwirken. Der Weg wird am Ende aber sicher anders aussehen, als wir ihn uns zum Beginn der Reise vorgestellt hatten.

Wir holt man die Immobilienbesitzerinnen und -besitzer ins Boot?

Es gibt als Instrument entweder Anreiz oder Zwang – bei uns in der Schweiz ist das Prinzip Anreiz vorherrschend, was allgemein gut funktioniert. Bei der Elektromobilität ist dies kritisch. Mieterinnen und Mieter sind darauf angewiesen, dass die Hauseigentümerschaft eine Ladeinfrastruktur zur Verfügung stellt. Da sich diese nicht nur basierend von ökonomischen – sondern häufig auch aus ideologischen – Gründen entscheiden, wäre hier ein sogenanntes «Recht auf Laden» hilfreich, um auch Mietern E-Autos zu ermöglichen.

Welche sind für Sie aktuell die vielversprechendsten Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien in der Schweiz?

Vielversprechend ist für mich etwa die erste Alpenstromtestanlage in Davos, ein Projekt der ZHAW, an welchem auch EKZ beteiligt ist. Diese liefert seit 2017 Resultate und ist damit ein wichtiger Wegbereiter für die geplanten alpinen Solaranlagen. Windenergieprojekte könnten ebenfalls sehr wichtig für die Schweiz werden, sind aber wegen der sogenannten NIMBY-Mentalität (Not in my backyard = nicht in meinem Hinterhof) heute in der Schweiz nicht umsetzbar.

Unser Solarstromüberschuss im Sommer reicht nicht aus, um wirtschaftlich Wasserstoff in grossen Mengen zu produzieren

Ein aktuell populäres Thema ist Wasserstoff. Doch das wird nicht die Technologie sein, die uns in der Schweiz in den nächsten 15 Jahren bereits massgeblich hilft. Der Überschuss aus Solarenergie, den wir dann voraussichtlich stundenweise im Sommer haben werden, reicht nicht aus, auf annähernd wirtschaftliche Weise Wasserstoff in grossen Mengen zu produzieren. Wasserstoff kann aber durchaus einen Beitrag leisten. Es wird an geeigneten Standorten in Europa Anlagen geben, von denen auch die Schweiz mittelfristig profitieren kann. Bei uns im Inland wird die Wasserstoffproduktion allenfalls in Nischenbereichen eine Rolle spielen, im Sinne der Förderung des Unabhängigkeitsgedankens.

Generell ist eine Optimierung aller zur Verfügung stehenden Technologien vielversprechend, sie müssen alle Hand in Hand gehen. Eine grosse Rolle spielt dabei die Digitalisierung, also die Steuerung, etwa der E-Mobilität oder der Wärme. Dazu sind unterschiedliche Massnahmen nötig. Ein Beispiel ist die Steuerung von Elektroboilern. Sie sollte zukünftig anders als bisher gehandhabt werden. Noch sind Elektroboiler vielerorts nachts im Einsatz, also wenn der Strom historisch günstig war. Zukünftig macht es mehr Sinn, diese tageszeitunabhängig dann heizen zu lassen, wenn ein Überschuss an Strom verfügbar ist. Das kann mit dynamischen Tarifen gefördert werden: Kunden geben uns diese Steuerungsmöglichkeiten und profitieren im Gegenzug von einem günstigeren Tarif. Das erfordert Flexibilität auf allen Seiten.

Zum Abschluss noch ein paar persönliche Gedanken zur Frage «Die Energiewende bedeutet für mich…?»

…ein sehr präsentes Thema über meine ganze berufliche Laufbahn hinweg. Und das wird auch so bleiben. Es motiviert mich jeden Tag aufs Neue, an so einem relevanten Thema mitzuwirken. Der Weg wird am Ende aber sicher anders aussehen, als wir ihn uns zum Beginn der Reise vorgestellt hatten.

Innovation bei EKZ